Berliner Morgenpost
Ressort Wirtschaft aus der Morgenpost vom Donnerstag, 10 November 2005

Geräusche darstellen

Forscherteam aus Adlershof will den Deutschen Zukunftspreis erringen

Berlin - Ein David gegen drei Goliaths - ist das nicht zuviel? Der Adlershofer Ingenieur Gerd Heinz sieht dem Freitag entspannt entgegen. Dann tritt sein Team von der Berliner Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik (GFaI) in der Endausscheidung um den Deutschen Zukunftspreis des Bundespräsidenten gegen die Großen an. Wettbewerber sind Innovationsteams von Siemens, BASF und Robert Bosch. Eine Ost-Innovation konkurriert also gegen drei aus dem Westen. "Akustische Kamera" nennt sich die Innovation, mit der das Tüftler-Team aus dem Technologiepark Adlershof ins Rennen geht: eine ausgefeilte Apparatur, die Töne sichtbar macht, indem sie die Akustik in Optik verwandelt. "Wir können sozusagen mit den Augen hören", umschreibt Heinz bildhaft das technische Prinzip, das die GFaI-Ingenieure seit den frühen 90er Jahren erforscht haben. Mit hochsensitiven Mikrofonanlagen, meist kreisförmig angeordnet, werden technische Geräusche so exakt erfaßt, daß sie über hochkomplizierte Rechenprogramme am Bildschirm visualisiert werden können.

"Man kann es mit den Linsen im Fotoapparat vergleichen, die Lichtstrahlen bündeln und auf den Film führen", erläutert Dirk Döbler, der zusammen mit Heinz und dem Ingenieur Swen Tilgner für den 250 000-Euro-Preis nominiert ist. "Unsere Mikrofone sind wie akustische Linsen, die die Schallwellen im Computer zu einem Punkt zusammenführen". Wo eine Maschine störende Geräusche produziert, kann mit der Methode präzise lokalisiert werden. Auch wie laut die Tür etwa eines Sportwagens ins Schloß fällt.

Die Autobauer von Porsche gehörten zu den ersten Industriekunden, die sich für die Möglichkeiten der akustischen Kamera interessierten. "Es ist ja nicht so, daß eine Erfindung sofort erfolgreich ist", bemerkt Heinz. Überall traf man auf eine "vornehme Skepsis" der angestammten Industrie-Akustiker. Bei Porsche gab man das Gerät den Praktikern von der Akustikentwicklung in die Hand. "Sie bauten es auf, und fünf Minuten später hatten sie das erste Bild", erinnert sich Heinz. "Sie waren begeistert. Wir natürlich noch mehr". Seitdem läuft das Geschäft. Auszeichnungen wie der Otto-von- Guericke-Preis (2001) oder der Innovationspreis Berlin-Brandenburg (2003) bedeuten immer einen Marketing-Schub. Inzwischen sind gut 50 akustische Kameras an Industriekunden etwa aus der Autoindustrie oder der Bankenbranche verkauft, das Gerät zu einem Stückpreis von rund 100 000 Euro. Von etwas mehr als 100 Zulieferer kommen die akustischen und elektronischen Komponenten.

Bei der GFaI in Adlershof sind derzeit 15 Mitarbeiter mit Entwicklung, Montage und Vertrieb der akustischen Kamera befaßt. "Vor allem der ferne Osten kommt jetzt stark", stellt Döbler fest. Autohersteller aus Korea und Japan gehören zu den neuen Kunden, auch nach China wird geliefert. "Wir wollen jedes Jahr den Umsatz verdoppeln", sagt Döbler. Im kommenden Jahr will man 30 Geräte absetzen.

Inzwischen hat man das Feld nicht mehr für sich allein. "Die Mitbewerber sind aufgewacht", sagt der GFaI-Ingenieur. Unter ihnen sind auch Unternehmen aus Dänemark, die weltgrößten Hersteller akustischer Meßtechnik. Doch vor Goliaths haben sich die Adlershofer Innovatoren nie gefürchtet. Eine Trophäe aus den Händen von Bundespräsident wäre dafür die passende Werbeflankierung zum richtigen Zeitpunkt.

mr