Projekt Zukunft - Das Wissenschaftsmagazin
Ein Geigenbaumeister braucht für seine Arbeit vor allem eines: viel Zeit. Rund 200 Stunden
sind nötig, um ein einziges Instrument herzustellen. Das besondere Holz, dass er verwendet,
muss Jahre und manchmal sogar Jahrzehnte gelagert werden, bevor es im Geigenbau
verwendet werden kann.
Es geht aber auch ganz anders. Ein Psychoakustiker, der den Klang von Chips und Autotüren
entwirft, hat sich nach der maßgeschneiderten Plastikgeige nun eine Geige aus Holz und
Synthetik-Harz ausgedacht. Klangvielfalt ist das Ziel, an dem er gemeinsam mit Geigenbauern
arbeitet. Er hat in der Heimat der Stradivaris und Guarneris nachgeforscht und sich mit modernster
Technik ans Werk gemacht. Seine Hightech-Meisterinstrumente sollen die Klangwelt und Vielfalt der
alten Geigenbau-Meister wiedererstehen lassen. Die neuen Instrumente müsse aber auch den
Anforderungen der immer größer werdenden Konzertsäle entsprechen.
In zwei Punkten überflügeln
die Hightech-Geigen die Meisterinstrumente vergangener Epochen: im Preis und in der Stabilität: Auf
die neuen Geigen kann man sich sogar draufsetzen ohne Schaden anzurichten.
Sie sieht aus wie eine Stradivari. Doch dieses Meisterinstrument hat ein Sounddesigner mit
entwickelt.
Sechs Hightech-Geigen werden getestet. Sie sollen sich in Konzertsälen behaupten, die immer
größer werden. Und gegen laute Orchester. Klangforscher wollen der Geige zu einem großen Ton
verhelfen. Und das mit moderner Technik.
Letzte Vorbereitungen für die akustische Kamera. Ein Messgerät mit mehr als 30 Mikrophonen. Damit
überprüfen sie die Frequenzbreite der Hightech-Geige. Wie schnell sich Töne mit ihr hervorzaubern
lassen. Und ob das Instrument schon alles an Klang gegeben hat. Alle sechs Hightech-Geigen hat
Konzertmeister Jörg Hunger schon getestet. Der Klang einer von diesen gefällt ihnen besten.
Friedrich Blutner ist Psychoakustiker. Er sagt: "Der Klang einer Geige ist eine sehr wichtige
Eigenschaft. Die Geigen werden ja deswegen gespielt, dass die Leute zuhören. Und da spielt der
Sound, die Akustik eine ganz maßgebliche Rolle. Wir nähern uns also dem Phänomen Geige über
die Eigenschaften des Klanges. Über die Wahrnehmung, über das Hören."
Das Geheimnis der Hightechgeigen ist die synthetische Harzschicht im Innern. Die Harzschicht macht
das Holz stabil. Friedrich Blutner könnte sich auch darauf setzen. Ohne sie zu zerstören. Sein
Respekt vor dem Handwerk verbietet das. Mit dem neuen Werkstoff können Geigenbauer ihre
Instrumente nun an manchen Stellen dünner machen als bisher. Dazu bemerkt Friedrich Blutner: "Sie
können prinzipiell dadurch, dass Sie mehr Gestaltungsspielraum haben, auch den Klang mehr
gestalten. Sie können also bestimmte Eigenschaften - zum Beispiel einen farbigen Ton, einen
brillanten Ton oder auch einen besonders voluminösen Ton noch etwas intensiver herausarbeiten.
Das heißt: Sie können die Klangvielfalt verstärken."
Den letzten Schliff zum guten Ton erhalten die Geigen durch ein akustisches Feintuning, auch
Vibrationsrelaxen genannt. Dabei wird das Instrument mit ganz bestimmten Frequenzen behandelt,
sozusagen eingeschwungen. Erst dadurch entwickelt sich die Klangvielfalt. Und die Geige lässt sich
dann auch noch besser spielen.
Dazu sagt der Cellist Matthias Lehmann: "Die Geige wird letztendlich gesehen entdämpft, entspannt.
Es ist so als wenn Sie zum Masseur gehen und sagen: Ich habe eine verkrampfte Schulter und Sie
wollen morgen sich ganz bequem bewegen können und sie merken einfach, Sie kriegen den Kopf
nicht rumgedreht. So ungefähr verhält es sich auch mit der Geige. Die Geige hat zu überhöhte
Eigenspannungen und die werden in einen Gleichgewichtszustand gebracht. So dass die Geige
entsprechend locker und leicht und schön -klingt."
Und was sagen die Musiker zu den neuen Hightech-Geigen? Würden sie selbst auf so ein Instrument
umsteigen? Quon Wun, Konzertmeisterin, meint: "Doch, also ich würde damit schon losmachen.
Nummer 2." Und Jörg Hunger, ebenfalls Konzertmeister: "Wir fahren mit unserem Orchester in den
Vatikan. Zum Papst. Und da werden wir die Geigen mitnehmen. Wir werden die da unten mal
spielen." Im Land der alten Meister. Die Klangforscher sind sich des Erfolges sicher: Stradivari hätte
es genau so gemacht wie sie.
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