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FORSCHUNG AKTUELL

03.08.2006

 

 

Dirk Döbler, Gerd Heinz und Swen Tilgner wurden mit ihrer akustischen Kamera 2005 für den Deutschen Zukunftspreis nominiert. (Bild: Deutscher Zukunftspreis)

 

 

Sichtbare Virtuosität

 

Akustische Kamera macht musikalische Begabung sichtbar

 

Informatik. -Musiker können die Interpretationsunterschiede zwischen den Künstlern hören, wie andere Leute den Unterschied zwischen Violine und Posaune. Informatiker haben mit der akustischen Kamera ein Mittel entwickelt, diese Unterschiede sichtbar zu machen. Dafür waren sie im letzten Jahr sogar für den Deutschen Zukunftspreis nominiert.

"Zu einer Stradivari muss man sich empor arbeiten, ehe sie ihre kunstvolle Seele sprechen lässt", schreibt der berühmte Geiger Yehudi Menuhin in seiner Autobiographie. Doch was genau spricht eigentlich aus einer Geige, wenn sie besonders gut klingt? Und warum schafft es nicht jeder Musiker, die Seele eines Instruments zum klingen zu bringen? Gerd Heinz und seine Kollegen von der Berliner Gesellschaft zur Förderung der Angewandten Informatik sind diesem Rätsel in der Dresdener Semperoper ein Stück näher gekommen.

"Wir haben dort festgestellt, dass wir sehen, aber das ist bisher noch eine Vermutung, dass wir unterscheiden können mit der akustischen Kamera zwischen profilierten Künstlern und weniger profilierten Künstlern. Das interessante ist, dass wir glauben, dass der Unterschied zwischen einem Violinvirtuosen und einem Menschen, der einfach nur Violine spielen kann, genau darin liegt, dass der Violinvirtuose mit dem Raum spielt, also mit den Resonanzen und Beugungserscheinungen und Reflexionen in dem Raum."

Entdeckt haben Gerd Heinz und seine Kollegen dieses Phänomen, als sie mit der akustischen Kamera herausfinden sollten, warum die Semperoper eine besondere Akustik hat. Die Abbildung des Schalls entsteht bei dieser Kamera dadurch, dass viele verschiedene Mikrofone die Geräusche im Raum aufzeichnen und gleichzeitig eine Kamera ein Bild aufnimmt. Dadurch, dass die 36 Mikrofone der Kamera in unterschiedlicher Entfernung zum abgehörten Objekt stehen, fangen sie die Schallwellen mit einer zeitlichen Differenz auf. Der Computer bildet dann ab, wie der Schall zu einem definierten Zeitpunkt im Raum verteilt ist. Heinz:

"Also man kann sich das so vorstellen: Wenn wir mit beiden Ohren hören, dann können wir uns vorstellen, dass wenn eine Quelle rechts liegt, dann ist der Schall am rechten Ohr ein bisschen schneller da als am linken Ohr. Und auf die Weise kann ich über die Laufzeitunterschiede zum Ohr herausfinden, wo kam der Schall her. Und das machen wir hier mit 32 Mikrofonen."

Das Bild vom Schall sieht so ähnlich aus, wie die Temperaturdarstellung einer Wärmebildkamera. Besonders laute Bereiche erscheinen rot, weniger laute gelb, leise blau. Bei bewegten Objekten oder bei einem Konzertmitschnitt leuchten diese roten, blauen und gelben Klangblasen an verschiedenen Stellen im Bild auf. So können die Akustiker erkennen, wie sich Geräusche im Raum verändern. Zum Beispiel, wie sie reflektiert werden oder wie der Schall gebeugt wird. Als Gerd Heinz die Schallbilder von einem Konzert in der Semperoper am Computer auswertete, entdeckte er, dass seine Kamera die musikalischen Besonderheiten der Virtuosität als bunte Klangwolken sichtbar machen kann. Heinz:

"Da saßen zwei Künstler hinter mir beim Konzert und die sprachen also ein gewaltiges Deutsch. Da hebt die Violine ab und da versinkt sie im Boden, hier klingt sie voll und da klingt sie wie drei und so! Und ich habe die Bilder da gesehen und dachte, dass das abgehobene, exaltierte Künstler sind. Aber die hören das wirklich! Die hören wirklich diese merkwürdigen Beugungserscheinungen."

Die Bilder, die bei Musikkennern im Kopf entstehen, kann die akustische Kamera also fast detailgetreu nachzeichnen.
Ob dieses Gerät in Zukunft bei Prüfungen die Musikalität eines Künstlers objektiv messen kann, müssen Heinz und seine Kollegen allerdings erst noch herausfinden. Das Ohr eines wahren Musikkenners wird sie jedoch vermutlich nicht ersetzen können. Heinz:

"Das wäre durchaus denkbar, dass also Musiker, die ihren Diplomabschluss machen unter Umständen mal in fernen Zeiten da auch eine akustische Kamera vorgestellt bekommen und man dann halt prüft, schaffen sie es wirklich, diese schiefen Wellenfronten zu erzielen, schaffen sie es wirklich, mit dem Raum, mit den Raumresonanzen zu spielen, schaffen sie es wirklich, den Klang aus dem Instrument herauszuholen. Aber das ist noch verdammt viel Zukunftsmusik, da müssen wir noch ein bisschen arbeiten, ob das wirklich so ist und wie das im Detail funktioniert."

 

 

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