Beim Einsatz der Akustischen Kamera liefern 16 Mikrofone die nötige Datenbasis. Auf dem Bild sind laute Geräusche durch blaue Flecken erkennbar, leise Töne durch die gelbe Markierung.
Das Diagramm zeigt die Meßergebnisse der Mikrofone. Das Gesamtbild wird aus den Verläufen der Schallwellen errechnet, darüber wird ein Foto gelegt. Abb.: GFaI Heinz
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Die Musik kennt "Klangfarben" "helle" oder "dunkle" Töne. Manche Menschen hören eine Tonleiter und stellen sich deren einzelne Schritte als Farben übersetzt vor. In aller Regel aber sind für uns Schall und Licht, die akustische und die optische Wahrnehmung, voneinander getrennt. Die Entwicklung eines Berliner Mikroelektronikers bringt die beiden Welten jetzt zusammen: "Akustische Kamera" heißt das Gerät, das aus Geräuschen farbige Bilder macht.
Bereits an alltäglichen Schallquellen - vom Videorecorder über Motorräder und Autos bis hin zum Düsenjet - erprobt, gilt die Akustische Kamera inzwischen als marktreifes Produkt. Sie soll überall dort zum Einsatz kommen, wo auf den bislang nötigen hohen technischen Aufwand wie schalltote Räume und teure Meßeinrichtungen verzichtet wurde - etwa bei der Entwicklung von Haushaltsgeräten oder Maschinen. Weil die portable Apparatur auch für Freilandversuche geeignet ist, bieten sich zudem neue Perspektiven in der lärmbezogenen Umwelt-Analytik. Gerd Karl Heinz, der das System zusammen mit zwei Hard- und Softwarespezialisten in der Adlershofer "Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik" (GFaI) realisiert hat, nutzte am Anfang eine simple physikalische Tatsache. Sowohl in der Optik als auch in der Akustik, in elektrischen Feldern oder auch im Nervensystem werden Impulse wellenförmig übertragen. Diesen Wellen und ihren Überlagerungen, den Interferenzen, gilt seit Jahren das Interesse des Wissenschaftlers. Erst auf Umwegen führten die Forschungen allerdings zum Bau der Akustik-Kamera. |
Ausgangspunkt war für Heinz die Beschäftigung mit dem Nervensystem, in dessen komplizierte Verschaltungen mit Hilfe der Informatik Licht geworfen werden sollte. 1993 legte er seine Arbeit über "Neuronale Interferenzen" vor. Biologen und Mediziner hätten ihn als fachlichen "Außenseiter" jedoch nicht ernst genommen, klagte Heinz rückblickend.
Gleichwohl entstand in dieser Zeit - finanziell gefördert durch das Bundeswirtschaftsministerium - die Softwaregrundlage auch für die nun vorgestellte Akustische Kamera. "Parallele und Serielle Interferenzwerkzeuge", kurz: "PSI - Tools", heißt das funktionale Herzstück im Computer. Mit Hilfe des PSI-Tools-Programms wird die Ausbreitung der Welle nachvollziehbar. Wie bei einem rückwärts laufenden Film läßt sich der Weg bis zum Ausgangspunkt verfolgen. Viele Wellen, die von mehreren Impulsgebern, zum Beispiel Geräuschquellen, ergeben durch die Berechnung der Software ein (wie in der Optik spiegelverkehrtes) Abbild der Quelle. Heinz erklärt den komplexen Vorgang gerne mit dem Bild eines Aquariums, im dem Sensoren den Wasserstand von vorher definierten Stellen melden. Bewegen sich in dem ‘Wasser Fische, ließe sich deren Position auch hinter verdeckten Glasscheiben genau orten. Je mehr Sensoren als Eingangskanäle Meßdaten sammeln, desto genauer wird das Bild. Im praktischen Einsatz mit der Akustischen Kamera liefert eine genau justierte Anordnung (Array) von 12 hochempfindlichen Mikrofonen die nötige Datenbasis. |
Wird eine Geräuschquelle vor dem Array aufgebaut, liefert der angeschlossene Computer ein aus den Raum- und Zeitverläufen der eingefangenen Schallwellen errechnetes Hörbild. Die unterschiedlichen Dezibel-Werte werden farblich abgesetzt, blau bedeutet etwa "sehr laut", gelb hingegen "leise".
Die Ortung von Schallwellen brachte dabei schon überraschende Ergebnisse. "Bei einem Auto erwarteten wir den Motor als hauptsächliche Lärmquelle, tatsächlich war es ein darunter liegender Vorschalldämpfer und die Reflektion durch den Boden", erklärt Heinz. Weil die Akustik-Kamera bis zu 50.000 Aufnahmen in der Sekunde verarbeiten kann, sind im übrigen nicht nur "Standbilder" des Schalls möglich. Die Software ist so in der Lage, regelrechte Geräusch-Filme zu drehen. Bei Experimenten mit einem Motorrad wurden die Zündverläufe des Zylinders anhand steigender und fallender Lärmpegel deutlich sichtbar. An zwei Problemen arbeiten die Adlershofer derzeit noch: Zum einen soll das Gerät handlicher und leichter werden. Im Dezember will Heinz einen Prototyp vorstellen, der durch Verwendung ultraleichter Kunststoff-Bauteile von bislang 25 kg auf "unter zehn Kilo" Gewicht abspecken und in einen Pkw-Kofferraum passen soll. Außerdem seien in der Industrie auch Verfahren zur Innenraum-Messung gefragt. Nun müssen Mikrofone und Rechner noch lernen "rundum" zu messen. |