NDR-TV
N3-Prisma
25.11.97
22.15 Uhr

sowie in den
Highlights des Jahres

30.6.98,
22.15 Uhr

2.7.98
13.°° Uhr

N3 Prisma zu Gast bei der 'Akustischen Kamera'

Eine Kamera, die Lärm sieht

Bericht: Anne Johe
Sprecher: Anja Volkmeyer

Das muß kesseln - und das tut es heutzutage ja auch mehr als genug. Vor allem in Großstädten ist Lärm das Umweltproblem Nummer eins. 70 % aller Deutschen fühlen sich allein durch Straßenverkehrslärm belästigt. Auch ein Zeichen fdafür, daß die Anstrengungen zur Lärmbekämpfung nicht ausreichen. Das ist nicht nur eine Frage des guten Willens. Oft fehlen ganz einfach die technischen Voraussetzungen.
Eine neue Erfindung soll hier Abhilfe schaffen. Eine Kamera, die Krach- und Lärmquellen sichtbar macht.

Lärm nervt und ist heute allgegenwärtig. Ständig pfeift , rauscht, dröhnt es in unsere Köpfe. Ein Streßfaktor, der krank macht. Der zum Beispiel das Risiko, an Herzinfarkt zu erkranken, deutlich erhöht.
Effektiver Lärmschutz aber scheitert häufig schon daran, daß die genauen Quellen der quälenden Phonstärken bisher nur schwer zu orten sind. Aber das könnte jetzt bald anders werden.

Mit dieser Lärmkamera. Sie wird hier gerade zu einem Meßversuch an einer verkehrsreichen Kreuzung aufgebaut. Ihre Erfinder, Berliner Informatiker, wollten allerdings zunächst etwas ganz anderes untersuchen, die Lärmkamera erfanden sie eigentlich nur aus der Not.


Dr. Ing. Gerd Karl Heinz, GFaI Berlin:
Ja, wir haben ursprünglich eigentlich Hirnaktivitäten erforscht (und stießen dabei auf 'Bilder des Denkens'). Ein Meßsystem, bestehend aus Soft- und Hardware wurde entwickelt. Schließlich gingen die Fördermittel aus (niemand verstand diese Sachen). Wir konnten auf dieser Strecke nicht weiterarbeiten. So nahmen wir die Elektroden vom Meßsystem ab, und klemmten Mikrofone an, um uns in der Akustik auszuprobieren. (Die Dimensionen des akustischen Laufzeitraumes sind denen des nervlichen ähnlich). Was dabei herauskam, ist die akustische Kamera. Wir sind damit in der Lage, Lärmquellen über dutzende von Metern aufzunehmen und quasi fotographisch aufzuzeichnen.

Die akustische Kamera wird schußbereit gemacht. Ein letztes Kabel verbindet den Aufnahmeteil mit dem Rechner für die Datenauswertung. Für undsere Aufnahmen sind die Berliner Lärmfahnder einer ganz besonderen Spezies von Krachmachern auf der Spur: Motorrädern.


"Hörend Sehen". Das können 16 winzig kleine Meßmikrofone. Sie bilden das Objektiv der Lärmkamera. Zusätzliche Aufnahmen mit einer optischen, hier digitalen Kamera werden später bei der Auswertung der akustischen Fotos helfen.

Hier das Lauschergebnis: Auf dem Monitor erscheint ein erstes Lärmbild. Der Rechner entwickelt es aus den akustischen Informationen der 16 Mikrofone. Jede Farbe steht für eine bestimmte Lärmintensität: von gelb für leise über grün nach rot und blaulila für besonders laut.


Liegen akustische und optische Aufnahme übereinander, wird klar: größter Krachmacher ist der (obenliegende) Auspuff.

Bei einem Auto, so vermutet jeder, macht der Motor den meisten Krach. Zu unrecht, wie das Lärmbild zeigt. Am lautesten ist nämlich der sog. Vorschalldämpfer.

Heinz:
Wir wollten es am Anfang gar nicht glauben: Ich habe über eine Woche an den Aufnahmen herumgerechnet, dann haben wir nochmals gemessen, um die Aufnahmen zu verifizieren. Und siehe da: es blieb beim Vorschalldämpfer. Der Motor spielt in der Lärmemission dieses Autos überhaupt keine Rolle.


Eine ähnliche Überraschung erlebten die Lärmforscher bei ihren Beobachtungen an Flugzeugen. Den höllischen Startlärm verursachen nicht allein die Turbinen, die gleiche Lärmintensität entsteht noch einmal durch Reflexion. Die zwei lilablauen Flecke zeigen: Lärm spiegelt sich am Asphalt. Schallschluckende Beläge könnten viel davon absorbieren.


Ein Tintenstrahldrucker ist ein typischer Lärmstreßfaktor in vielen Büros. Jede mechanische Bewegung verursacht lästige Geräusche. Die Berliner Wissenschaftler wollen herausfinden, an welcher Stelle wann Lärm entsteht. Mit der Kamera kann man auch ganze Lärmfilme herstellen: z.B. die akustische Fahrt des Druckkopfes. Immer, wenn er die Richtung wechselt, erkennt man eine Lärmexplosion. Mit Hilfe dieser Filme ließe sich jeder störende Maschinenlärm gleich an der richtigen Stelle bekämpfen.


Heinz:
Das Interessante an dieser Technik ist, daß die subjektive Beurteilung von Schall oft völlig verschieden von diesen objektiven Messungen ist. Unser Gehör gaukelt uns in vielen Fällen falsche Erregungsquellen vor. Zum Beispiel bei der Briefetikettiermaschine: was uns bewußt wird, ist ein rhytmisch stampfendes Geräusch. Es suggeriert, daß der Lärm mit Ventielen und Stößeln verbunden ist. Die Schallaufnahme hingegen zeigt, daß der Hauptlärm durch Antriebsmotor und Lüfter kontinuierlich abgegeben wird. Das ist insofern interessant, als man sehr viel Geld ausgeben kann für falsche Lärmvermeidungsmaßnahmen.

Lärmvermeidung an der richtigen Stelle angesetzt, das wäre die große Chance für effektiven Arbeits- und Umweltschutz. Denn mit Hilfe der Lärmkamera könnten Konstrukteure und Hersteller ihre Maschinen schon von Anfang an ganz gezielt leiser laufen lassen.

Wie heißt es doch so schön: ware Überlegenheit zeigt sich in der Stille.


PS: Eigene Anmerkungen stehen in runden Klammern (...)





Einige Impressionen...




oben links: Ausladen, Einladen,... zu langsam, bitte nochmal: Tan Nguyen und Mark Zöllner schleppten, was das Zeug hielt.
Mitte: Stuntmann Michael Schmid auf Suzuki täuscht Anfahren im Verkehr vor.
oben rechts: Beratung zwischen Regisseurin Anne Johe und Kameramann Axel Reinhardt (Hintergrund), vorn wird Sprechen geübt.
unten links: dreimal muß die ganze Anlage zur Seite rücken, ehe alles im Kasten ist.
ganz unten: So röhrt Schmidches aufgemotzte Suzuki - akustisches Bild und Movie (700kB)
unten rechts: Schwarze Gardine mit Schummerlicht für den 'O-Ton' Heinz, Assistent Reiner Krüger hat alles im Griff...



Informationen:

Gesellschaft zur Foerderung angewandter Informatik e.V.
GFaI, Dr. Heinz, Rudower Chaussee 5/13.7, D-12484 Berlin


Phone: +49 (30) 6392-1600
Fax: +49 (30) 6392-1602
e-mail: heinz@gfai.de
URL: http://www.gfai.de/www_open/perspg/heinz.htm



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Gezipptes Movie: 330 kB/700 kB, hochauflösend: 1,5 MB/10 MB

Und so knallig wie das Schall-Movie sehen auch die Kanaldaten aus. Mit hinterlegtem O-Ton Suzuki...

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Falls auch Sie im Stau standen - das Spektakel fand statt am Montag, dem 29.9.1997
an der Kreuzung Wegedornstraße, Ecke Rudower Chaussee in Berlin-Adlershof.