Leonardo -
Das Zukunftsmagazin



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09.04.1998, 15:00 Uhr
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10.04.1998, 10:30 Uhr

Die akustische Kamera / 4:37


Ein Beitrag von Joern Stiller, M4-Medien

0:03 Lärm ist unser ständiger Begleiter. Ob bei der Arbeit oder der Freizeit - die Stille ist ein seltener Luxus geworden.

0:13 Doch Lärmschutz ist vielen Herstellern von Maschinen und Fahrzeugen einfach zu teuer. Die obersten Lärmwächter des Landes sehen da jetzt Handlungsbedarf.

0:24 O-Ton Prof. Dr. Dieter Gottlob, Lärmbeauftragter Umweltbundesamt:

"Wir haben eine sehr weitentwickelte Lärmbekämpfungsgesetzgebung. Allerdings gibt es da in dieser Gesetzgebung eine ganze Reihe von wichtigen Lücken, die wir zukünftig füllen müssen."

0:35 So sind zwar Flugzeug- und Autohersteller an Lärmgrenzen gebunden, die Deutsche Bahn hingegen noch nicht.

0:42 Mit dieser akustischen Kamera wollen Berliner Wissenschaftler in Zukunft dem Lärm den Kampf ansagen. Wo Maschinenkrach den Menschen quält, soll die akustische Kamera zur Stelle sein, soll den Schall sichtbar machen und Entstehungsort und Ursache des Lärms identifizieren.

1:00 Schall sichtbar machen, um ihn präzise orten zu können - das ist ein Verfahren, das die Wissenschaftler ursprünglich nur nebenbei entwickelt haben, quasi als Abfallprodukt einer ganz anderen Forschungsarbeit.

1:14 O-Ton Dr. Gerd Heinz, Gesellschaft für angewandte Informatik e.V.:

"Wir haben uns mit Wellenausbreitungen in Nervensystemen beschäftigt. Das ist interessant für die Epilepsieforschung zum Beispiel. Wir sind dort auf die Bilder unserer Gedanken gestoßen, haben aber festgestellt, daß diese Sachen niemand versteht und brauchten dringend eine plausible Anwendung, die jeder akzeptieren, nachvollziehen kann. Und so kam es zur akustischen Kamera, indem wir die Software und die Hardware benutzt haben, die wir für das Nervensystem entwickelt haben und dort eigentlich nur Mikrophone 'rangeschnallt haben. Und seither versuchen wir, akustische Bilder zu machen."

1:46 Ungewöhnlich sieht sie aus, diese akustische Kamera, ein mal ein Meter groß. Etwas klobig ist der Prototyp - aber sehr leistungsfähig. Wo Fotokameras ihr Objektiv haben, besitzt die akustische Kamera hochempfindliche Meßmikrofone, 16 an der Zahl.

2:04 Eine digitale Filmkamera liefert normale Bilder von den Geräuschobjekten. Akustische und optische Informationen werden dann im Computer gemixt und als farbiger Videofilm wiedergegeben. Gelb, Grün, Rot und Blau zeigen die verschiedenen Lautstärken an.

2:19 O-Ton Gottlob:

"Es ist eine wichtige Aufgabe bei der Lärmminderung, die Quellen zu erkennen, auch die Abstrahlvorgänge zu erkennen, um Möglichkeiten der Minderung auszunutzen. Insofern ist eine detaillierte Kenntnis über den Lärmentstehungsprozeß und über die Abstrahlmechanismen von entscheidender Bedeutung für die Minderung."

2:41 50.000 Bilder pro Sekunde kann der Rechner der akustischen Kamera verarbeiten:

2:48 Mit solchen Hochgeschwindigkeitsaufnahmen lassen sich selbst bewegte Geräteteile auf Schäden untersuchen und die Kosten für teure Werkstattdiagnosen vermeiden. Doch alle Technik kann nicht helfen, wenn der Mensch nicht mitspielt.

3:03 O-Ton Gottlob:

"Wir haben zum einen den Bürger als Verursacher, denn der Bürger fährt ja selbst mit dem Auto, und zum anderen den Bürger als einen Betroffenen. Das führt auch häufig zu einer Konfliktsituation, daß der Bürger in seiner eigenen Wohnumgebung möglichst niedrige Pegel haben möchte, daß er sich allerdings, wenn er ein Auto betreibt, nicht seiner Rolle als Lärmverursacher bewußt ist."

3:26 Das menschliche Ohr läßt sich nur allzu leicht täuschen. Fast immer sind es ganz andere Geräteteile, die den Lärm verursachen. So konnten die Wissenschaftler nachweisen, daß ein kleines Bauteil vorne am Auto der größte Krachmacher ist, und nicht wie gedacht der Motor oder das dicke Ende des Auspuffrohrs. Mit der akustischen Kamera ist es jetzt möglich, solche Lärmquellen im Bild festzuhalten und zu vergleichen.

3:50 O-Ton Heinz:

"Wir hoffen, daß die akustische Kamera diese Vergleichbarkeit von Lärmgegenständen, von Lärmobjekten, weiter vorantreibt. Zum Beispiel könnte man sich vorstellen, daß man ein Auto, den Prototyp eines Autos, das neue Modell, aufnimmt, ein Lärmbild davon macht mit der akustischen Kamera und daß man dann, wenn das Auto dann 3 Jahre später wieder zum TÜV kommt, daß man dann auch ein Lärmbild von dem Auto macht und das gegen das andere Bild hält, und man hat eins zu eins die Unterschiede in den Lärmbildern, die farblichen Unterschiede, die zeigen dann eins zu eins: Wieviel db ist es an welcher Stelle lauter geworden."
4:25 Wer weiß, vielleicht wird es in Zukunft ja Lärmkontrollen im Straßenverkehr geben - und Bußgelder wegen zu lauten Fahrens.
© DW 1998