Frankfurter Allgemeine
Blick durch die Wirtschaft vom 27. Juni 1997

Akustische Kamera entwickelt

Geräuschquellen können genau lokalisiert und farbcodiert abgebildet werden

JB. Frankfurt. Eine industrietaugliche, akustische Kamera, die statt Licht Schall aufnimmt, hat die Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik e.V. (GFaI, Rudower Chaussee 5, 12484 Berlin-Adlershof) entwickelt. Sie kann unter anderem zur Untersuchung von Maschinen- und Motorengeräuschen unter Gesichtspunkten des Lärmschutzes und der technischen Weiterentwicklung verschiedener Geräte genutzt werden. Wie Gerd Heinz von der GfaI mitteilt, ist die akustische Kamera in der Lage, Geräusche genau zu lokalisieren und abzubilden. Insofern entspricht sie einer optischen Kamera, hat aber äußerlich wenig mit einem Photoapparat gemeinsam.
Zur Aufnahme dient ein Mikrophonarray, der aus insgesamt 16 Mikrophonen besteht. Diese sind quadratisch in einer Vier-mal-vier-Anordnung montiert. Schallwellen, die zu dem Array gelangen, könne aufgrund des Laufzeitunterschieds zu den Mikrophonen genau lokalisiert werden. Die dazu notwendigen Berechnungen werden mittels einer Interferenztransformation auf einem nachgeschalteten PC durchgeführt.
Die akustischen Photos bestehen aus einem Plot, der die Schallintensität farbcodiert wiedergibt. Der besondere Vorteil des Systems liegt darin, daß mit dessen Hilfe erstmals große, geräuschintensive Anlagen und Verkehrsmittel im ganzen untersucht werden können.
Bislang bestand die einzige Möglichkeit, die stärkste Geräuschquelle einer großen Maschine ausfindig zu machen, darin, das untersuchte Objekt zu zerlegen, in einen schallisolierten Raum zu schaffen und dort einzeln zu vermessen. Diese zeitaufwendige Untersuchung kann mit der Schallkamera auf eine etwa drei Sekunden dauernde Aufnahme reduziert werden.

Das Schallphoto wird zur genauen Lokalisierung der Geräuschquelle mit einem optischen Photo, das aus gleicher Entfernung aufgenommen wird, überlagert. aus diesen kombinierten Photos sind dann klar und deutlich die Orte der höchsten Schallintensität zu beobachten.
Erprobt wurde das System unter anderem bei der Untersuchung der Geräuschentwicklung einer Briefettiketieranlage. Diese sehr laute und große Anlage arbeitet teilweise pneumatisch. für das menschliche Ohr ist eine genaue Lokalisierung der Lärmquellen nicht möglich, da sich zu viele Geräusche überlagern. Mit dem Schallphoto konnte gezeigt werden, das neben dem Spitzenlärm durch Ventile, besonders auch Lüfter- und Antriebsgeräusche zu dem gesamten Geräuschpegel beitragen. Das Akustik-Photo ermöglichte dann eine effektive und zeitgerichtete Reduzierung der Geräuschentwicklung.
Ein weiteres Untersuchungsprojekt war ein Personenkraftwagen. Das Schallphoto zeigte im Gegensatz zum Gehör, das den Motor als stärkste Geräuschquelle lokalisiert, den unten liegenden Vorschalldämpfer und dessen vom Fahrbahnbelag reflektierten Schall als Spitzengeräusch an. auch kann die Aufnahme zum Erkennen der Lärmquelle, zur gezielten Schalldämmung und anschließender Kontrolle der Geräuschreduktion genutzt werden.
Neben Standbildern ermöglicht das Berliner System auch die Aufnahme akustischer filme. auf diese Weise kann beispielsweise die Geschwindigkeit von Kraftfahrzeugen, die weiter entfernt sind, ermittelt werden. Inzwischen ist die akustische Kamera auch zu Hochgeschwindigkeitsbildern fähig und kann 50 000 Bilder pro Sekunde aufnehmen. Damit wird es schnell bewegte Gegenstände wie beispielsweise die Zylinder eines Motors abbilden.


Weitere Informationen im Internet unter http://www.gfai.de