Anfänge der Bionik: Lilienthals Flugversucheabenteuer erde, 28.05.2003

Bionik: Lernen von der Baumeisterin Natur
Ein Film von Katrin Linke

Vorbild für die Wissenschaft ist in vielen Fällen die Natur. So haben die erstaunlichen Methoden der perfekten Konstrukteurin schon oft dabei geholfen, Techniken zu verbessern und wertvolle Energie zu sparen.


Denn auch wenn die Menschen dank des technischen Fortschritts inzwischen höher und weiter fliegen können als jeder Vogel, so ist der Preis dafür doch sehr hoch: Enormer Energieverbrauch und viel Lärm sind die Folge. Mit Hilfe der Bionik versuchen die Wissenschaftler nun, hinter die Prinzipien der Natur zu kommen und Lösungen für dieses und weitere Probleme zu finden.

Neuer UltraleichtfliegerWie beispielsweise in punkto Wirbelbildung. Denn die macht den Flugzeugen nach wie vor zu schaffen. Mutter Natur meistert diese Hürde mit Endfedern am Flügel der Landvögel, die sich wie Finger abspreizen und so starke Wirbelbildung verhindern. Diese Erkenntnisse haben die Bioniker in technische Lösungen umgesetzt und dabei so genannte Split-Wing-Loops am Ende der Tragflächen entwickelt. Sie sollen die Wirbelbildung ähnlich wie beim Vogelflügel minimieren, was bis zu elf Prozent Treibstoff einsparen könnte.

Aufgrund dieser Erkenntnisse wurde ein Ultraleichtflugzeug mit den riesigen Schlaufenflügeln entwickelt. Doch noch ist es zu teuer: Um die neuen Flügel bautechnisch realisieren zu können, müssten völlig neue Fertigungsverfahren entwickelt werden.

Das gleiche gilt für ein weiteres Beispiel aus der Bionik: das fünf Gramm leichte "Mikro-Air-Vehikel", ein einem filigranen Insekt ähnelndes Fluggerät. Ausgestattet mit Temperatur-, Duft- oder Schallsensoren sowie Mikro-Kameras könnte es in Zukunft dabei helfen, die Umwelt zu erkunden, Gefahrenstellen zu identifizieren, vor Staus zu warnen oder Tierbestände aus der Luft zu kontrollieren. In Schwärmen zusammengeschlossen wäre das Vehikel sogar in der Lage, die Atmosphäre zu erkunden. Doch noch ist die Technik nicht ausgereift und kleinste Turbulenzen können das Fluggerät zum Absturz bringen.

Auf dem Computer wird Lärm sichtbarBereits im Einsatz ist dagegen die akustische Kamera, mit deren Hilfe die Forscher nun dem Fluglärm zu Leibe rücken wollen. Dabei handelt es sich um ein System, das im Prinzip wie unsere Ohren arbeitet - nur sehr viel genauer. Denn jedes einzelne Paar der insgesamt 38 installierten Mikrofone "hört" die Richtung des Flugzeugschalls und leitet sie an einen Computer weiter. Per Kamerabild werden die Informationen synchronisiert und der Ursprungsort des Lärms ähnlich wie bei einem Wärmebild auf dem Computer sichtbar. So können die Techniker den Lärm - egal ob von Autos, Industrieanlagen oder Windrädern - an der Wurzel packen und dafür sorgen, dass unsere Umwelt in Zukunft ein Stück ruhiger wird.

Und auch unter Wasser finden die Wissenschaftler perfekte Vorbilder für zukünftige Techniken. So hat es zum Beispiel die spindelförmige starre Körperform des Pinguins den Bionikern besonders angetan. Denn der von der Evolution perfektionierte Körper lässt sich leicht nachbauen. Und der ferngesteuerte Roboterpinguin ist besonders nützlich für die Erforschung der Meere: Er ist in der Lage, lange unter Wasser zu bleiben, während ein spezieller Propeller ihn energiesparend antreibt. Noch wird er per Funk gesteuert, doch schon bald soll der Pinguin akustisch durch die Ozeane geführt werden.

SandfischNicht so leicht haben es die Bioniker dagegen mit einem sonderbaren Lebewesen, dass in der Sahara zu Hause ist: dem Sandfisch. Die kleine Eidechse kann dank ihrer Körperoberfläche problemlos im Dünensand abtauchen und bis zu zwei Kilometer täglich zurücklegen. Denn die besonders glatten Schuppen minimieren die Reibung auf der Körperoberfläche, ohne sie dabei zu verkratzen. Die glattesten Materialien, die wir kennen, wie Glas oder polierter Stahl, können mit den Schuppen des Sandfischs nicht mithalten. Dabei wäre ein solcher Rohstoff von vielerlei Nutzen - angefangen vom Brillenglas bis hin zur Industrieanlage. Vieles haben die Forscher zwischen Biologie und Technik inzwischen von der Natur gelernt - und doch nur einen Bruchteil dessen, was die perfekte Konstrukteurin noch für sie bereithält.

Allerdings wird der Raum für Pflanzen und Tiere auf dieser Erde immer enger. Bis zu 130 Tier- und Pflanzenarten sterben täglich aus - und damit geht immer mehr Vielfalt verloren, von der wir etwas lernen - und von der wir profitieren könnten...


Externe Links:

www.bionik.tu-berlin.de: Internetauftritt der Technischen Universität Berlin, Bionik und Evolutionstechnik.
www.maschinenbau.tu-ilmenau.de: Bericht der Technischen Universität Ilmenau über die Entwicklung eines hydraulischen Antriebs nach dem Vorbild des Spinnenbeins.
www.bionik-netz.de: Das Bionik-Kompetenznetz (BIOKON) bietet ausführliche Informationen über Bionik-Projekte in Deutschland.
www.g-o.de/home04cm.htm und www.g-o.de/kap4/40bc0011.htm: Berichte bei geoscience online über Bionik.
www.wissenschaft.de: Artikel über den Schmetterling als Vorbild für elektronische Tinte.
www.welt.de: Ein Artikel über australische Forscher, die versuchen, die Photosynthese technisch nachzuahmen.
www.spiegel.de: Bericht im "Spiegel" über die Entwicklung künstlicher Geckohärchen. Amerikanische Forscher haben sich von der Haftfähigkeit der Geckofüße inspirieren lassen.
home.t-online.de: Internetseite des Otto Lilienthal-Museums mit umfangreichen Informationen über das Leben und Arbeiten Otto Lilienthals.

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