I.PROM  1/2002  S. 2-4         DAS INNOVATIONSMAGAZIN       Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie

Akustikkamera

"tönt" international

Weltmarkt, wir kommen

www.bmwi.de
www.technologiestiftung-berlin.de
www.innoman.de
www.ti-consult.de
www.gfai.de

Hollywood müsste passen, Babelsberg und Mosfilm auch. Wer künftig einen Schallfilm drehen lassen will, wendet sich stattdessen nach Berlin-Adlershof. Am besten direkt an Starentwickler Dr. Gerd Heinz, den In-spe-Geschäftsführer einer noch auszugründenden Firma, die demnächst eine der bekanntesten ostdeutschen Entwicklungen produzieren und vermarkten will: die Akustikkamera. Hilfestellung dabei gibt das BMWi-Förderprogramm Innovationsmanagement.

Das Problem

Heinz, der wissenschaftliche "Vater" der Kamera, weiß den verräterischen Schall auch und gerade an sehr dynamischen Objekten beweiskräftig zu überführen – mittels Farbfoto und demnächst auch auf Schallfilm. Entsprechende Fragen, die die schnelle Berliner "Eingreiftruppe" von der GfaI Gesellschaft für angewandte Informatik e.V. als Dienstleister mit Kamera und Auswertungsgerätschaft auf den Plan ruft, stellt die Großindustrie zuhauf: Warum sind Flugzeuge trotz lärmarmer Bauvorschriften beim Start so laut? Welcher Radkasten lärmt, wenn ein Intercity vorbeirauscht? Weniger Dezibel wären auch bei so mancher Abfülllinie sowie bei Baggern, Werkzeugmaschinen und Haushaltsgeräten wünschenswert ... Vor Monaten flatterten erste Bestellungen von Seiten der Automobilindustrie auf den Tisch der GfaI, unter deren Dach Heinz der inzwischen wohl bekannteste Industrieforscher ist. Dass Porsche gleich zwei Kameras bestellt hat, um damit Geräuschquellen im Auto vermessen zu können, wertet GFaI-Geschäftsführer Dr. Hagen Tiedtke (Foto) als "Durchbruch". Der Noch-Chef des Erfinders sieht einen greifbaren Multiplikationseffekt, denn wenn erst ein Autohersteller durch die Lärmkamera Fortschritte bei der Optimierung des Klangbildes im Pkw-Innenraum erzielte, zögen die anderen automatisch nach.

"Mein Berater ist mein Student von gestern.
Das sagt doch wohl alles."
Prof. Dr. Dr. Bertold Knauer, VKA GmbH Schönbrunn

"Wirklich sehr bedürfnisnah und durch
Beratungsleistungen von der Idee bis zum Absatz rund."
Prof. Dr. Klaus Däumichen, Technologiestiftung Berlin-Adlershof

Das Programm


Um das Gerät, das zunächst bei international führenden Akustikern kaum Beachtung fand und dennoch Schlagzeilen bis nach Korea machte, kümmern sich jetzt auch Berater der Berliner Technologiestiftung. Im Rahmen der BMWi-Beratungsförderung wurde vom Team um Prof. Dr. Klaus Däumichen die bevorstehende Unternehmensausgründung konzeptionell vorbereitet. Wie in der GfaI geht es bei 26 weiteren Ostberliner Technologiefirmen, die sich jetzt Top-Beratung für wenig Geld leisten können, um Potenzialanalysen, Machbarkeiten, Finanzierungsansätze, Lösungskonzepte, Technologietransfer und dann in der eigentlichen Umsetzungsphase um Projektmanagement von außen. Alles betriebswirtschaftliche Notwendigkeiten, mit denen besonders die kleineren und demzufolge finanzschwachen Ingenieurfirmen aus sich selbst heraus überfordert wären.

Ohne externen Sachverstand also weniger Innovationen? In der Tat. Nutznießer wie die Verbundwerkstoff- und Kunststoffanwendungstechnik GmbH in Schönbrunn/Thüringen oder die umtec Silo-Anlagenbau GmbH in Halle geben es klipp und klar zu: "Allein wären wir auf unserer Idee sitzen geblieben." Vor diesem tausendfachen Bedürfnishintergrund gerade im Osten hatte das Bundeswirtschaftsministerium 1998 mit einem Modellversuch in Mecklenburg-Vorpommern die Weichen für das neuartige Förderinstrument gestellt. Schon damals signalisierten die beauftragten Technologieagenturen ATI Küste GmbH und titan e.V.: "Nagel auf den Kopf getroffen."

Das Prozedere ist ungewöhnlich unbürokratisch. Wer den Agenturen für Technologietransfer und Innovationsförderung Know-how-Bedarf signalisiert – und dafür einen Eigenbeitrag von mindestens 30 Prozent der programmspezifisch günstigen Beraterkosten zu zahlen bereit ist – kommt in den Genuss der Managementbegleitung über einen persönlichen Berater. Sie wird mit Blick auf die Logik des Innovationsprozesses auf drei Ebenen angeboten: Idee, Konzeption, Umsetzung. Zeitkauf nennen es die einen, Innovationssprung die anderen. 700 Unternehmen sind auf diese Weise ein Stück weit vorangekommen, so eine Zwischenbilanz nach zwei Jahren Programmlaufzeit.

Den Akteuren der Lärmkamera, die inzwischen von multinationalem Interesse ist (die Japaner wollten Dr. Heinz zur Fortentwicklung seiner Innovation sogar eigene Forschungskapazitäten vor Ort zur Verfügung stellen), hatten die TSB-Berater ein regelrechtes Technologie-Coaching verordnet. Eine wesentliche Erkenntnis für alle Beteiligten: Soll die Kamera absolute Weltspitze bleiben, müssen Modifikationen für neue Einsatzbereiche geschaffen werden. Und: Die wirtschaftliche Verwertung der akustischen Kamera sollte eigenständig von einer GmbH mit einem deutschlandweiten Filialnetz betrieben werden.

Das Gerät


Die Geräteentwicklung aus Berlin erfasst parallel zu den optischen Aufnahmen einer Videokamera, die beispielsweise auf eine Briefetikettiermaschine "zielt", mit kranzförmig angeordneten 16 Richtmikrofonen sämtliche Geräusche der Anlage. Im Computer werden beide Abbildungsebenen zusammengeführt. Der Betrachter kann jetzt die besonders störende Lärmquelle als dunkelroten Fleck erkennen – in diesem Fall den Antriebsmotor, der anders als das rhythmische Hämmern des Druckwerks subjektiv gar nicht wahrgenommen wird.

Aus einem Abstand von 20 Metern soll die Kamera demnächst auch komplette Schallfilme liefern. Mit 50.000 Aufnahmen je Sekunde können auf diese Weise bewegte Objekte schalltechnisch sichtbar gemacht werden. Laut GfaI wird das einmalige Kameraprinzip mindestens in zwei Richtungen vervollkommnet, um weitere Kundenanwendungen zu erschließen. Demnächst soll es ein Fernmesssystem geben, das den Schall selbst auf eine Entfernung von mehreren Hundert Metern orten kann. Geplant ist auch ein 3D-Messsystem, um räumliche Schwingungsfelder und akustische Wellenverläufe abbilden zu können.



"Der Erfolg kennt viele Väter"
(Sprichwort)