Schall im Bild
Mit einer Kombination von Kamera und Mikrofonen lässt sich Lärm sichtbar machen
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von Norbert Raabe
Berlin – Von einer guten Idee zur praktischen Erfindung braucht
es manchmal länger als geplant: mehr als fünf Jahre im Fall der
"Akustik-Kamera" des Berliner Ingenieurs Dr. Gerd Heinz. Seit 1995 forscht
er mit Kollegen von der Gesellschaft zur Förderung angewandter Informatik
an einer Kamera, die mit Hilfe von Mikrofonen "Schallbilder" aufzeichnen
kann – doch erst vor zwei Monaten gelang der Nachweis, dass sich das Verfahren
in der Praxis nutzen lässt.
Um den Lärm zu analysieren, den eine deutsche Chemiefirma in ein Nachbardorf
abgibt, rückten die Wissenschaftler mit der "Stern"-Variante an: einem
Kamerasystem mit drei abstehenden Stangen, an denen mehr als 30 Mikrofone
stecken. Nachdem die Akustiker die Fabrik von mehreren Standorten vermessen
hatten, berechnete ein Computerprogramm aus den winzigen Zeitunterschieden,
mit denen die einzelnen Mikros Signale aufgefangen hatten, welche Geräusche
von wo kamen. Und schließlich warf das System ein Foto aus, auf dem
Lärm in Form roter Flecken sichtbar war – Grundlage für gezielte
Gegenmaßnahmen.
Messergebnisse laufen menschlichem Höreindruck teils zuwider
Vor zwei Jahren, erinnert sich Gerd Heinz, "waren ähnliche Versuche
noch nicht so erfolgreich". Ursache war mangelhafte Präzision: Um
verzerrungsfreie Resultate zu produzieren, mussten die Konstrukteure sogar
die Verzögerungszeiten von Vorverstärkern, die das System hoch
empfindlich machen, sorgsam aufeinander abstimmen.
Solide Messtechnik ist schon deshalb unerlässlich, weil das Verfahren
Ergebnisse liefert, die dem menschlichen Höreindruck teils zuwiderlaufen.
Beispiel Düsseldorfer Tonhalle: Weil Konzerte darin oft vom Trambetrieb
über eine nahe gelegene Brücke gestört wurden, maßen
Heinz und seine Kollegen das Bauwerk akustisch aus. Ergebnis: Der Lärm
stammt nicht direkt von der Brücke, sondern wird vom Straßenbelag
einige Meter darunter zur Tonhalle reflektiert.
Viel nützen wird die Diagnose in diesem Fall nicht, denn die Brücke
ist, so Ingenieur Heinz, bereits lärmarm konstruiert. "Die Schienen
sind schon gedämpft eingebaut; Verbesserungen sind da nicht ohne weiteres
möglich", sagt er, "Schallräume verhalten sich letztlich eben
wie Spiegelsääle."
Neben Ferndiagnosen dieser Art soll die Schallografie künftig
auch bei Analysen im so genannten Nahfeld helfen. In Automobilen etwa,
in denen es rätselhaft klappert oder knackt, kommt ein "Kugel-Array"
zum Einsatz: ein Mikrofon-gespickter Drahtball, der Signale von rundumher
erfasst.
In Sachen Optik stösst dieses System allerdings an Grenzen. Statt
per Kamera ein räumliches Bild einzufangen, werden die Geräusche
auf eine dreidimensionale Computersimulation des Innenraums projiziert.
Eine komplizierte Technologie – die offenbar dennoch Perspektiven hat.
"Letzte Woche", sagt Erfinder Heinz nicht ohne Stolz, "hat Porsche zwei
Systeme bestellt."