Gerd Heinz
Vielleicht haben Sie auch schon einmal einen Rohrbruch gehabt? Alte Wasserleitungen sind manchmal innen derart zerfressen, daß man sich nur über die Ursachen wundern kann. Vor Jahren hatten wir an der Hauptwasserleitung einen Schaden. Wasser begann aus einer etwa 10 Jahre alten, verzinkten, gußeisernen Verbindungsmuffe (1 Zoll, verzinkt) zu tropfen. Das robuste Teil lag zwischen dem Hauptventil (Messing) und einem Messing-Adapterstück.
Beim Ausbau gab es eine Überraschung: Das Teil war innerlich besonders auf der Abflußseite völlig zerfressen. Leider machte ich damals kein Foto, aber die Sache ließ mir keine Ruhe. Forscht man nach Ursachen, so hilft das Internet kaum weiter. Auch in der Wikipedia findet man mehr hochtrabende Wissenschaft als praktische Relevanz. Dort wird unter Korrosion eher nur Oxydation verstanden. Bei Wasserrohren geht es aber mehr um Elektrolyse.
Um zu verstehen, was passieren kann, wollen wir ein kleines Experiment machen: Wir wollen die Leerlaufspannung zwischen realen Rohrstücken aus Messing, feuerverzinktem Gußeisen und schwarzem Gußeisen messen. Wenn sich diese in Wasser befinden, so wirken sie wie eine Batterie. Verbindet man sie durch zusammenschrauben, so entsteht ein Kurzschlußstrom zwischen deren Plus- und Minuspol, der wie bei einer Batterie die Elektroden zersetzt. Maß für die Zersetzung ist u.a. die zu messende (Leerlaf-) Spannung.
Ein tolles Universalvoltmeter kann heute jeder für wenige Euro kaufen. Das verwendete kostete um 2010 weniger als 5 Euro. Die Geräte sind im Spannungsmeßbereich derart hochohmig, daß man damit problemlos die Leerlaufspannung einer Batteriespannung messen kann, die aus zwei verschieden edlen Metallen gebildet wird.
Zum Versuch nehmen wir eine flache Wasserschale, deren Boden mit Wasser bedeckt wird. Da verzinkte Buchsen aus Gußeisen erst nach dem Feuerverzinken gebohrt und geschnitten werden, sind diese auf der Innenseite meist blank. Deshalb ist es nützlich, nur soviel Wasser einzufüllen, daß nur das Zink, nicht aber das innenliegende Eisen benetzt wird.
Abwechselnd legen wir die Materialpaarungen in die Schale. Wir achten darauf, die entstehende Polarität zu kennzeichnen: Die rote Klemme bezeichnet den sich ergebenden Pluspol, die schwarze den Minuspol.
Die Ergebnisse in Abb.1 bis 5 verblüffen, wenn man bedenkt, daß die Rohrteile stets leitend miteinander verschraubt sind. Anode und Kathode sind somit stets kuzgeschlossen. So baut sich zwischen einer Messingbuchse und einem innen verzinkten Rohr (Abb.5) immerhin eine Leerlaufspannung von 0,8 Volt auf.
Ohne auf theoretische Details einzugehen:
Das Material geht bevorzugt auf der unedleren Seite in Lösung - hier am Minuspol. Die negative Elektrode (schwarz) wird dabei "geopfert", die am Pluspol (rot) mit Oxid "verstopft". Man beachte deshalb das Vorzeichen.
Abb.1: Zwischen (schwarzem) Gußeisen und Zink entstehen rund 0,4 Volt (exakt 379 Millivolt). Die Materialpaarung Eisen-Zink finden wir an jedem Rohrende eines verzinkten, abgesägten Rohres.
Abb.2: Zwischen (schwarzem) Gußeisen und korrodiertem Zink messen wir 366 Millivolt.
Abb.3: Zwischen Messing und (schwarzem) Gußeisen entstehen hier 392 Millivolt (das sind 0,392 Volt).
Abb.4: Zwischen Messing und blankem Zink entstehen 771 Millivolt.
Abb.5: Zwischen Messing und korrodiertem Zink sind es sogar 0,8 Volt (exakt 814 Millivolt).
Denken wir uns die Materialbewegung als Überlagerung von bewegtem Wasser (in einer Rohrleitung) und Elektrolyse, dann wird schnell klar, welches die gefährlichsten Paarungen sind: Es sind die, bei der das Wasser von Minus nach Plus fließt. Wenn also z.B. auf ein verzinktes Stahlrohr in Fließrichtung ein Messingstück folgt, geht die Zersetzung des Stahlrohres besonders schnell.
Zum Vergleich:
Von einer kurzgeschlossenen AAA-Alkaline-Batterie mit 1,5 Volt wissen wir, daß diese innerhalb weniger Stunden leer ist, d.h. daß ihr Elektrodenmaterial vollständig korrodiert ist. Wie lange dauert es wohl, bis eine auf ein verzinktes Rohr geschraubte Messingbuchse das Rohr zersetzt hat? Wir wissen es nicht. Aber wir ahnen jetzt, warum diese Materialpaarung in Verbindung mit Wasser Ungemach bereiten kann. In Verbindung mit Eisen wären Armaturen aus Zink, statt aus Messing, besser geeignet.
Als besonders gefährdet erkennen wir verzinkte Eisenteile, die zwischen zwei Messingteilen eingebaut sind. Hierbei wird das Eisen besonders schnell und heftig zerfressen...
Hinweis: Die gemessenen Spannungen fluktuieren im Millivoltbereich. Hier sind fotografierte Momentanwerte, keine Mittelwerte dargestellt.
20.8.2021
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