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Damals war's. Geschichten
aus dem alten Berlin.
Gerd Heinz
Ende der 1960-er Jahre kamen in der BRD ("im Westen") die ersten digital-proportionalen Funkfernsteuerungen in die Welt und auf den Markt. In der DDR lief man auf diesem Gebiet immer eine Gerätegeneration (etwa 5 Jahre) hinterher. Man baute neueste, westliche Geräte kreativ nach. Die DDR-Anlage "start dp5" (27 MHz, AM, 5 Kanäle, gegen 1975) kostete nach meiner Erinnerung komplett etwa 2400 Mark der DDR. Bei einem Jung-Ingenieursgehalt von 860 Mark unbezahlbar, zumal die Wohnung noch mit Möbeln, Kühlschrank, Waschmaschine etc. einzurichten war. Die Bücher [1], [2] kamen genau zur richtigen Zeit auf den Markt. Ein Jahr lang baute ich nach Feierabend eine "start-dp5" Anlage nach. Dank der HF-Spezialisten und INT-Kollegen Dieter Buchwald, Hochschild, Horst Schmied und Dr. sc. Eberhard Kühn [3] erhielt man nach einer schlaflosen Nacht meist den richtigen Tip, um weiterzukommen. Die hohe Verstärkung des ZF-Verstärkers des ersten Empfängers führte zunächst zu andauernder Rückkopplung. Die aber hatte Ursachen. Auch der Senderabgleich hatte es in sich. Und die Stabilität der Regelelektronik der Servos brachte neue Herausforderungen.
Wenn ich mich richtig erinnere, wurden in Westdeutschland anfang der 70er Jahre von Graupner erste digitale proportional-Funkfernsteuerungen (RC steht für Radio-Control) [2] verkauft. Zur Historie siehe auch [4], [5] und [6].
Vorher gab es nur Tip-Fernsteuerungen (Tonkreisanlagen), die zwar für Segelflugzeuge und Schiffe, nicht aber für schnelle Automodelle oder für Kunstflieger geeignet waren. Jede Taste erzeugte einen eigenen Sinuston, der von einem LC-Kreis im Empfänger ausgewertet wurde. Relaisanker oder spezielle Rudermaschinen betätigten die Ruder, beim Drücken einer Taste schlug das entsprechende Ruder aus.
Tip-Empfänger waren in der Anfangszeit des RC-Modellbaus bedeutsam, weil man mit wenigen, damals noch sehr teuren Transistoren auskamen. Ein Transistor kostete Mitte der Sechziger in der DDR noch um die 20 Mark der DDR. In der Schaltungstechnik wurde auf die seit den dreißiger Jahren vorhandenen, ersten Schaltungen mit Röhren zurückgegriffen.
So soll schon die A4-Rakete von Wernherr von Braun mit einer röhrenbestückten 1-Bit Fernsteuerung über einen Radar-Sender gesteuert worden sein, deutsche Fliegerbomben wurden ferngesteuert auf Schiffsziele gelenkt. Nach dem Krieg übernahm die USA die führende Rolle, siehe z.B. ein Diskussionsforum in [6].
Nicola Tesla führte bereits 1898 auf der Weltausstellung in New York ein funkferngesteuertes Modellboot vor [4] - lange, bevor Elektronenröhre oder Transistor erfunden wurden. Und Wernherr von Siemens soll bereits 1870 eine funktionierende Drahtfernsteuerung gezeigt haben [3].
Mit kleiner und billiger werdenden Transistoren wurde alles anders. Ein noch immer namenloses Genie erfand das digital-proportional-Steuerungsprinzip. Es sollte die Basis der Fernsteuertechnik für Jahrzehnte bleiben.
Deutsche Pioniere waren bei ersten digitalen Proportionalanlagen Ende der 60er Jahre wohl die Firmen Graupner und Metz [2].
Das Prinzip einer Digital-Proportional-Anlage soll mit dem Bild 1, welches 2007 für Wikipedia erstellt wurde [8], kurz erklärt werden.
Ein astabiler Multivibrator erzeugt den Grundtakt. Je nach Anlage werden die Pulse mit einem astabilen Multivibrator alle 15 bis 22 Millisekunden zyklisch wiederholt. Mit dem Potentiometer des betrachteten Kanals wird am Sender die Pulsdauer eines Monoflops typisch von 1 bis 2 Millisekunden (ms) variiert. Eine Millisekunde steht nun z.B. für links, zwei Millisekunden für rechts, 1,5 ms für neutral (Mitte).
Jeder Folgekanal (-Puls) schließt sich unmittelbar an seinen Vorgänger an. Das erste Monoflop löst aus für Kanal 1. Die weiteren Monoflops lösen nacheinander aus für Kanäle 2, 3 und 4. Jedes auslösende Monoflop erzeugt einen Puls. Diese werden zusammengeführt und auf 0,25 bis 0,4 ms verlängert.
AM stellt die Amplitudenmodulation des HF-Trägers (27/35/40 MHz) dar, dabei tasten (schalten) die verlängerten Pulse den Sender aus. Bei Frequenzmodulation (FM) wird die Trägerfrequenz verändert, hier ist |f1−f2| ≈ 5 kHz.
Im Empfänger werden die Pulse der verschiedenen Kanäle wieder vereinzelt und zu den Servo-Steckern gegeben.
Im Empfänger werden die Pulsbreiten wieder mit einem Ringzähler oder Schieberegister dekodiert, so daß jede Servoelektronik nur die Pulsvariation des betreffenden Kanals erhält.
Kernelement jeder Servoelektronik ist ebenfalls ein Monoflop, welches über die eingehende Pulsflanke des Senders angestoßen wird und dessen Pulsbreite von der Stellung des im Servo integrierten Potentiometers gesteuert wird. Die vom Sender eingehende Pulsbreite wird zu der vom Servopoti gelieferten Pulsbreite mit inverser Amplitude addiert, das positive oder negative Ergebnis der Addition läßt den Servomotor in die eine oder andere Richtung loslaufen, solange, bis die Pulsdifferenz Null wird. Hier ist die beabsichtigte Ruderstellung erreicht und der Servomotor stoppt.
Ursprünglich verwandten verschiedene Hersteller verschiedene Neutralzeiten (1,5 ms ... 1,8 ms). Letztlich normten die Servohersteller den Markt. Heute sind bei allen Servos relativ einheitlich 1,5 ms +/- 0,5 ms bei einem Stellwinkel von +/- 45° zu erwarten.
Erste Proportionalanlagen arbeiteten mit Amplitudenmodulation (AM) auf dem 27 MHz-Band, die Endstufe des Senders wurde pulsierend ein- und ausgeschaltet. Man teilte sich dieses Band mit Sprechfunk (Walkie-Talkies), der bei Polizei und Rettungsdiensten beliebt war. Entsprechend war die Störsicherheit nicht allzu hoch. Wehe, bei einem Wettkampf fuhr ein funkender Feuerwehrwagen oder ein Polizeiwagen nahe genug vorbei. Dann schieden einige Modelle aus dem Rennen.
Mit der Entwicklung von Transistoren mit immer höherer Transitfrequenz, die für Tuner für das zweite Programm des Fernsehens entwickelt wurden (man denke an den Transistor AF139), entstanden Voraussetzungen für den Übergang zu höheren Sendefrequenzen. So ging es über das 35 und 40 MHz-Band zu 433 MHz und etwa ab 2010 schließlich zu 2,4 GHz. Vorteil höherer Frequenzen war eine kürzer werdende Antennenlänge.
1974 stellte die Firma HISTRI-ELECTRIC die erste Fernsteuerung für 433 MHz vor. Damit konnte die Antennenlänge deutlich reduziert werden [2], Seite 329. Als Lösungsweg wurde die Sendefrequenz von 27,12 MHz vervielfacht, da für 27 MHz bereits Quarzpaare marktüblich waren. So ergibt 16 mal 27,12 MHz die Zielfrequenz von 433,92 MHz. Die Versechzehnfachung der Sendefrequenz läßt sich als vier mal vier oder als 2 hoch 4 oder in Kombination beider Arten ausführen.
Letztlich kam man zur Jahrtausendwende bei 2,4 GHz an, neuere Fernsteueranlagen nutzen ausschließlich dieses Band. Der Vorteil ist die extrem kurze Antennenlänge von nur 3 Zentimetern. Aber auch eine vergleichbar viel höhere Nutzbandbreite steht damit zur Verfügung, die mühelos auch lange, chiffrierte Binärcodes zuläßt.
Da im Modellbau ausschließlich Stabantennen Verwendung finden, ist deren Fußpunktimpedanz von 35 Ω bei einem Viertel der Wellenlänge (λ/4) substanziell.
Mit λ = c/f , wobei c für die Lichtgeschwindigkeit (300.000 km/s) und f für die Sendefrequenz stehen mögen, erhalten wir die folgende Tabelle:
Sendefrequenz f in MHz | 27 | 40 | 433 | 2400 |
Wellenlänge λ in m | 11,06 | 7,5 | 0,69 | 0,125 |
Antennenlänge λ/4 in cm | 277 | 188 | 17 | 3,1 |
Während man bei 27 MHz noch sogenannte Antennen-Verlängerungsspulen brauchte, um mit einigermaßen kurzen (1,40 m bis 1,80 m) Sendeantennen zurecht zu kommen, entfällt dieses Problem ab 433 MHz aufwärts vollständig. Im einfachsten Fall bestand bei 27 MHz die Verlängerungsspule aus einem dicken Kupferlackdraht, der die fehlende Länge zur Viertel-Wellenlänge hatte und als Luftspule in Reihe zur Antenne geschaltet wurde.
Zur Erhöhung der Störsicherheit ging man schnell zur Frequenzmodulation (FM) über. Mit der Anlage "Multiplex Royal-FM" (27, 35 und 40 MHz) ging man wohl 1975 erstmals diesen Weg [2], Seite 339. Ein FM-Sender arbeitet mit Dauerstrich-Modulation, über eine Kapazitätsdiode wird die Quarzfrequenz entsprechend des Pulsmusters variiert. Um das durch AM-Anlagen bereits vorgegebene Kanalraster mit einem theoretischen Kanalabstand von 10 kHz realisieren zu können, ist ein HF- Frequenzhub kleiner 5 kHz zu realisieren. Im Empfänger ist der Demodulator entsprechend zu modifizieren.
Skalierte Mikroelektronik-Technologien erschlossen den Gigahertzbereich. Einchip-Microcontroller mit internem EEPROM sowie Synthesizer- und PLL- Schaltungen aus Bluetooth- und WLAN-Entwicklungen gestatteten nach der Jahrtausendwende quarzlose Empfänger sowie höchste Störsicherheit durch variierende "Frequency Hopping Spread Spectrum" (FHSS) Verfahren auf 2,4 GHz "on chip". Das waren Quantensprünge.
Aber ein Wermutstropfen dieser neuen Techniken darf nicht verschwiegen werden. Sender und Empfänger verschiedener Hersteller sind nicht mehr kompatibel, selbst neue Gerätegenerationen desselben Herstellers können meist nicht mit den älteren Geräten kommunizieren.
Wird ein neuer FHSS-Hopping-Code als Software geladen, ist schon Inkompatibilität mir dem vorherigen erreicht. Da von jedem Modellbauer alle paar Jahre alles neu gekauft werden soll, kann extrem viel mehr Elektronik-Sondermüll produziert werden. Aber die Umsätze steigen.
Die Möglichkeit, eine Fernsteueranlage zu kaufen war für mich finanziell ausgeschlossen. Als Jungingenieur verdiente ich 860 Mark, eine "start dp5" Anlage kostete komplett um die 2400 Mark (der DDR).
Nun konnte man zur GST (Gesellschaft für Sport und Technik) gehen, um sich in einem Modellbauclub in eine lange Reihe Wartender einzureihen, die ebenfalls noch keine Funkfernsteuerung besaßen. In der Zwischenzeit hatte man natürlich an Vereinsveranstaltungen aller Art - insbesondere auch zur vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen. Auch erhielt man das GST-Material nur als Leihgabe.
Das war nicht nach meinem Geschmack. Also blieb nur ein Eigenbau übrig, zumal die Arbeitskollegen im INT - als versierte HF-Spezialisten - dazu ermutigten. Ich saß von 1977 bis 1980 in der Arbeitsgruppe von Dr. Eberhard Kühn und Horst Schmied, den DDR-Bestsellerautoren [3]. Die Kollegen vermaßen insbesondere TTL-Schaltkreise für grenzwertige Applikationen. Ein bissel Glück gehört im Leben immer dazu.
Nun könnten Sie fragen: Wozu erzählt er das? Es ist ganz einfach: Ich habe niemanden kennengelernt, der ein Wettbewerbsmodell mit einer selbstgebauten Funkanlage betrieb, die noch dazu eine Postzulassung brauchte und hatte.
Diese Zulassung gab es nicht gratis. Man hatte die Anlage beim Funk-Entstörungsdienst der Post in einem abgeschirmten Raum aufzubauen, dort interessierte man sich insbesondere für die maximale Leistung und für Nebenkeulen - also die Störfrequenzen, die in Nachbarbänder einstrahlen.
Auf dem Spektrometer hatten die Abstrahlungen des Funksenders exakt innerhalb einer Schablone zu liegen. Beim ersten Versuch durfte ich wieder nach Hause gehen, die Nebenkkeulen waren zu hoch. Erst beim zweiten Anlauf lag mein Sender innerhalb des erlaubten Limits. Ich war stolz wie Bolle.
Der Funk-Entstörungsdienst befand sich übrigens im Neubau gegenüber dem HdjT (Haus der jungen Talente, heute wieder Palais Podewil) in der Klosterstraße am Alex, während die Bezirksdirektion der Deutschen Post in der Otto Nuschke Str. 67-69 saß (heute wieder Jägerstraße).
Sämtliche Platinen wurden zunächst auf Pergamentpapier im Maßstab 1:1 gezeichnet. Dann wurden die Löcher auf gereinigtes Leiterplattenmaterial passender Größe mit einer Zirkelspitze übertragen. Mit einem Skribent wurden anschließend die Leiterzüge auf die Platine übertragen. Zum Schluß wurde mit Eisen-3-Chlorid geätzt und die Löcher wurden gebohrt.
Aus dem Motor einer defekten Laugenpumpe einer Waschmaschine wurde dazu eine Leiterplatten-Bohrmaschine gebaut, die in den Bohrständer einer Multimax eingespannt werden konnte.
Damals gab es eine nach dem Trocknen wasser- und säurefeste Ausziehtusche Karmin-Rot (von Barock, ZAK 1497142 109 062083, MSL 57 841 173, im Behälter von 10 Gramm zu 0,62 Mark), die bestens geeignet war, weil sich der Skribent nach Gebrauch mit Wasser wieder auswaschen ließ.
Nicht zuletzt bereiteten die Akkus zur damaligen Zeit große Schwierigkeiten. Ich konnte irgendwo zwei Blöcke mit je vier Silberzellen erstehen, das waren Knopfzellen mit etwa 40 mm Durchmesser und etwa 10 mm Dicke. Vermutlich handelte es sich um Silber-Zink-Zellen. Sie hatten je 450 mAh. Mit dieser geringen Kapazität würde heute niemand mehr in einen Wettkampf gehen. Damals mußte das ausreichen!
Nicht zuletzt brauchte man zum Starten des Verbrennungsmotors (Zweitakt-Selbstzünder mit Methanol und 20% Rizinusöl) für die Glühkerze eine starke Akkuzelle (1,2...2V ~ NiCd oder Blei). Ein väterlicher Freund schenkte mir einen alten NiCd-Akku mit 1,2 Volt und 10 Ah im Format von etwa 120x70x70 mm. Dieser war noch bis zum Ende der 80er Jahre im Einsatz.
Der Sender
war ein originaler Nachbau des "start dp5" Senders mit 5-Kanälen, die Sendeleistung betrug etwa 500 mW (AM). Zur Spannungsversorgung dienten drei Flachbatterien mit je 4,5 Volt. Im Fall eines Empfangsausfalls konnte man mit einer Power-Taste die Betriebsspannung von 9 Volt auf 13,5 Volt erhöhen. Sender und Empfänger waren quarzstabilisiert mit einer Frequenzdifferenz (ZF) von 455 kHz.
Die Nuten der Steuerknüppel wurden per Hand gesägt und gefeilt. Federn zur Rückstellung auf die Neutrallage wurden selbst gewickelt. Um die Bedienung eines Modellautos zu erleichtern, wurde ein Kreuzknüppel modifiziert. Er ließ sich nach vorn und hinten schwenken (Kanal K2, Gas/Bremse), gelenkt wurde mit Kanal K1 am großen, schwarzen Bedienknopf, siehe Bilder.
Die Elektronik war zweigeteilt in eine NF- und eine HF-Platine. Mit den Induktivitäten L1 bis L4 wurde der Sender auf Maximalleistung bei 27 MHz abgestimmt.
Einiges Kopfzerbrechen bereitete der Senderabgleich. Zuhause stand kein abgeschirmtes Spannungsmeßgerät mit Metallgehäuse zur Verfügung. Mit damaligen Universalvoltmetern mit Drehspulinstrument war es trotz vorgeschaltetem, schnellen Spitzenwertdedektor praktisch unmöglich, sauber zu messen.
Schloß man das Voltmeter an, zeigte es z.B. drei Volt an. Löste sich durch Zufall eine der beiden Verbindungen (zur Antenne oder zur Masse), schlug der Zeiger auf Vollanschlag aus. Man war verwirrt.
Als zuverlässig erwies sich letztlich ein Lämpchen 3,8V / 0,07A parallel zu einem 100 Ω Widerstand, das mit kurzen Drähten zwischen Meßpunkt MP und Masse gelegt wurde. Damit wurde der Fußpunktwiderstand der Antenne von 35 Ω simuliert. Bei einer Sendeleistung von 500 mW mußte es mit einem Effektivwert von 4,2 Volt hell leuchten.
Auf diese Weise ließ sich allerdings nicht die Antennenverlängerung L4 abgleichen. Hierfür war eine Ersatzimpedanz der exakten Antennenlänge zu bestimmen und nachzubauen. Leider sind dazu keine Unterlagen mehr vorhanden.
Im Institut waren Meßgeräte aller Art zwar vorhanden, jedoch wurden Privatarbeiten nicht gern gesehen. Dort konnte lediglich nach Dienstschluß mal ein 100-MHz-Oszilloskop oder ein Spektrometer (Spezialoszilloskop) genutzt werden, um die Nebenkeulen zu prüfen und den Feinabgleich durchzuführen.
Der erste Empfänger entstand 1978 als AM-Super (Super-Herterodyn-Empfänger). Es war ein originaler dp5-Nachbau. Der Oszillator war quarzstabilisiert mit einer Zwischenfrequenz (ZF) von 455kHz, die mit drei Mikki-Filtern (Taschenradio Mikki, Hersteller Stern-Radio Berlin) selektiert wurde. Der Empfänger arbeitete diskret und vollkommen ohne ICs. Mit fünf Kanälen paßte er zum Sender.
Die Servoelektronik war ebenfalls diskret aufgebaut ohne IC. Um Transistoren und Platz zu sparen, wurde mit geteilter Mittenspannung 2x 3 Volt gearbeitet. Ein diskret aufgebauter Ringzähler diente der Pulsdekodierung. In vier getrennten Boxen befanden sich Empfänger, Pulsdekoder mit einer Servoelektronik sowie zwei Boxen mit je zwei Servoelektroniken.
Als erstes wurde damit ein Wasserflugzeug ausgerüstet. Es erwies sich als Fehlkonstruktion. Die Abrißkante lag etwas zu weit hinten. Man mußte bei Vollgas das Höhenruder ziehen, um es auf die Abrißkante zu bekommen. Dann erhob sich das Flugzeug kurz aus dem Wasser, nur um soviel Geschwindigkeit zu verlieren, daß es sofort wieder ins Wasser platschte. Auch war die Gelegenheit, an einen See zu kommen, ohne Auto eher sehr begrenzt.
(Einen Trabant hatte ich bereits mit 18 Jahren 1972 als Abiturient angemeldet. Ich bekam ihn genau zwölf Jahre später (1984) für über 14.000 DDR-Mark ausgeliefert.)
Nach dem Wasserflugzeug wurde mit einem neuen Projekt begonnen, dem Ferrari.
Im Modell des RC-V1 Ferrari waren für zwei Kanäle drei Boxen unterzubringen: 1) der Empfänger, 2) der Ringzähler mit einer Servoelektronik und 3) eine Box mit zwei Kanälen. Obwohl mit diesem erste Rennen gefahren wurden, war die Lösung unpraktisch, leicht konnte man ein Kabel abreißen. Auch war der Platz für die drei Kistchen sehr eng bemessen. Sie wurden übrigens mit selbstgebauten Formen aus Cama-Margarine-Schachteln im Backofen tiefgezogen.
Man erkennt kleine Änderungen im Schaltplan. Die Originalanlage nutzte große Diodenbuchsen und Stecker. Um Voöumen zu sparen, wurden aus IC-Fassungen kleinere Stecker und Buchsen gesägt.
Probleme gab es bei der Inbetriebnahme des Empfangsmoduls. Egal was man machte, er hatte maximale Rückkopplung. Nach endlosem Suchen wurde ein erster Fehler gefunden. Aus Platzgründen war C1 an Masse auf der anderen Seite der Leiterplatte angeschlossen worden. In der Masseleitung lagen damit 4 Zentimeter Leitbahn, an die alle anderen Schaltungsteile angeschlossen waren. Nach Korrektur änderte sich das Schwingungsbild, aber noch immer schwang der ZF-Verstärker.
Es kostete weitere vier Wochenenden, bis sich unser HF-Experte, Kollege Dieter Buchwald die Schaltung anschaute und darauf hinwies, daß eine zu direkte Ankopplung der Transistor-Basis an den Filter eine Resonanz zwischen der Induktivität des Filters und der Basis-Emitter Transistorkapazität bewirken könnte.
Ich möge doch mal einen 100 Ω Widerstand zwischen Filterausgang und Basis schalten. Schaltungstechnisch erschien das zwar unklar, aber die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Am Transistor T4 konnte ein erster 100 Ω Widerstand eingebaut werden. Und der genügte bereits, die Schwingneigung war verschwunden.
Passend zum Sender wurde ein für damalige Verhältnisse sehr kompakter 8-Kanal AM-Empfänger mit ZF 455 kHz und ersten ICs gebaut, diesmal mit vier Mikki-Filtern. Eigentlich sollte ein Piezo-Filter reinkommen, aber der war (noch) nicht beschaffbar. Auch war unklar, ob die Frequenztoleranz verfügbarer Piezofilter (455 kHz) zur Toleranz der Quartzpaare passen würde. Dazu lagen damals noch keine Erfahrungen vor.
Im Vergleich zum ersten Empfänger verlief der Bau problemlos. Man hatte gelernt.
Im Miel fanden sich Schaltpläne zuhauf. Vom A244 gab es Applikationsnoten etc. Man konnte die Variante heraussuchen, die zum eigenen Material und Stil paßte. Transistorarray B340 und Schieberegister SN74LS164 fanden sich wohl im Institut, den A244 zu besorgen war etwas schwieriger. Mit dem Schieberegister-IC wurde enorm viel Platz für den 8-Kanal Puls-Dekoder eingespart.
Eine neue Zeit brach an. Der 8-Kanal-Empfänger in einem Gehäuse war wohl als Quantensprung zu bezeichnen. Er kam klein und kompakt ohne ein überflüssiges Kabel daher. Die HF-Platine befand sich im zusammengelöteten Messingblech-Gehäuse oberhalb der Decoderplatine, beide waren gegeneinander durch Schaumstoff isoliert.
Er kam zum ersten mal in der Rennsaison 1981 zum Einsatz. Gegenüber dem ersten Empfänger war es eine Wohltat, damit zu arbeiten. Um im rauen Wettbewerb zu bestehen, wurden auch diese Platinen mit Kerzenwachs vergossen.
Wachs hat den Vorzug, daß es sich sofort verflüchtigt, sobald man mit dem Lötkolben eine Leitbahn erhitzt. Das ist wichtig, um Reparaturen ausführen zu können. Auch kann man das Wachs entfernen, indem man den Empfänger auf ein Tempo-Taschentuch legt und das Ganze im Wasserbad für einige Minuten auf 100°C erhitzt.
Die Platinengröße des HF-Teils, wie auch der elektrische Anschluß waren zum ersten Empfänger kompatibel. Damit konnte man beide HF-Teile gegeneinander austauschen, siehe Foto rechts in Bild 6.
Ein letztes Novum waren die neuen Steckverbinder. Buchse und Stecker wurden aus einem 96-poligen Leiterplattensteckverbinder-Paar (dreireihige Buchse und dreireihiger Stecker) mit der Laubsäge ausgesägt. Man hatte ja sonst nichts zu tun.
1980 kam noch die selbstgebaute Elektronik in die Servos hinein.
Die Motivation dahinter war gewaltig. Einerseits wurde im Ferrari Platz eingespart, andererseits aber arbeitete der SN28654 alias B654 mit einer Vollbrücke. Die Servomotoren liefen nun mit der doppelten Spannung, dadurch wurden sie schneller und stärker.
Im Halbleiterwerk Frankfurt/Oder (HFO) hatte man den Servo-IC SN28654 Pin- und Funktionskompatibel als B654 nachentwickelt. Da ich dort dienstlich mit der Überführung des ersten in Berlin entwickelten IC, des PCM-Regenerators KA601 [7] zu tun hatte, nahm ich Kontakt mit dem Entwickler im HFO auf. So konnte ich erste Exemplare besorgen. Der IC im Bild ist datiert auf M8 - August 1980, siehe Bild der Reserveplatine.
Mit dem Servo-IC wurden zwei Probleme gelöst. Zum einen arbeitete der Servomotor nun in einer Vollbrücke mit annähernd voller Betriebsspannung, zum andern verschwanden die lästigen Kistchen und Kabel mit der Servoelektronik aus dem Modell. Durch die höhere Motorbetriebsspannung entfaltete das Servo mehr Kraft und mehr Geschwindigkeit.
Nun konnten bis zu acht Elektronik-Servos am gleichen Empfänger betrieben werden.
Ein Beschaffungsproblem bereiteten die sieben Elektrolyt-Kondensatoren pro Servoelektronik. Aus Platzgründen kamen nur Tantal-Pillen in Frage. Und die gab es aus DDR-Produktion noch nicht. Irgendwie konnten sie aber doch beschafft werden.
Ein Blick auf die Schaltung zeigt, daß der Wert verschiedener Bauelemente (Cx, Cτ, Rτ) variiert wurde, um die Regelschleife stabil zu bekommen. Auf der einen Seite ist Überschwingen zu vermeiden, auf der anderen Seite soll der Totbereich so klein wie möglich ausfallen, um hohe Stellgenauigkeit zu erreichen.
Die Besonderheiten der Rudermaschine bestanden in einer vergleichsweise hohen Übersetzung von 300:1, dem dadurch relativ hohen Drehmoment von 1,2 kpcm, aber vor allem der Unmöglichkeit, den Abtrieb manuell zu bewegen. In Verbindung mit einer 3mm-Welle, die nur geriffelt ist, um die Ruderscheibe aus Plast zu drehen, war das die Schwachstelle der Rudermaschine; siehe Bild 8b).
Da bei Rennwagen immer die Gefahr von Unfällen besteht, bei denen meist die Vorderräder die größten Kräfte aufzunehmen haben, war ein Servoschutz der Lenkung unvermeidlich.
Im Bestand des Autors befinden sich drei verschiedene Versionen der Servomatik. Die erste Version hat die höchste Übersetzung, man erkennt 6 große Zahnradpaare aus Rad und Ritzel. Vermutlich ist das diejenige, zu der obiges Datenblatt gehört. Dieses Servo ließ sich nicht mit Elektronik nachrüsten, weil der Platz fehlte.
Spätere Versionen haben nur noch vier große und ein kleines Zahnradpaar, also vermutlich eine Übersetzung von etwa 1:225 (4,5/6 mal 300), siehe Bild 8a). Die letzte Version in Bild 8c) hat einen Vierkantabschluß der Welle, auf dem zusätzlich eine außen geriffelte Messing-Zwischenscheibe sitzt, die das Drehmoment besser an die Ruderscheibe überträgt. Im Ferrari wurde sie als Lenkservo eingebaut.
Sorgen bereiten nach dem Rückbau des Ferrari die geerdeten Gehäuse der Servos. Ich kann mich noch erinnern, daß es ab und an metallische Berührungen zwischen Servo-Gestängeteilen, Servogehäuse und Chassis gab, die Funkstörungen verursachten, weil sich die Masseführung dann mehrfach änderte. Dieses Problem wurde im Original durch spezielle Isolationen beseitigt.
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Bliebe noch festzustellen, daß sich die Servo-Schnittstelle mit Pulsweitenmodulation (PWM) in 50 Jahren kaum verändert hat. Auch das Regelungsprinzip blieb erhalten, egal, ob bei analogen Servos (die heute ausgestorben sind) und die mit RC-Gliedern arbeiteten, oder bei digitalen Servos, bei denen mit Zählerschaltungen oder Mikrocontrollern die Zeit gemessen wird.
Natürlich sind die Servos über die Jahre schneller und kräftiger geworden, Neodym-Magnete der Motoren machten es möglich. Eine ebenso wichtige Neuerung sind Servos mit höheren Betriebsspannungen (HV-Servos), die sich an 8,4 Volt (zwei LiPo-Zellen in Reihe) ohne BEC (Battery Eliminator Circuit) anschließen lassen.
Zwei Neuerungen allerdings lassen noch auf sich warten. Der Lebenszyklus eines Servos ist beendet, wenn abgebrannte Motorkohlen oder eine abgeschliffene Poti-Bahn zu Stottereien führen. Brushless-Motoren wären zuverlässiger, ebenso ist ein Poti-Ersatz durch einen magnetischen Drehfeldsensor mit 12 Bit Auflösung denkbar. Aber das ist wohl nur eine Frage der Entwicklungskosten und des Preises.
[5] Tesla, Nikola: Method and Apparatus for controlling mechanism of moving vessels or vehicles. US-Patent 613809 vom 8.11.1898, 13 Seiten. Download as (PDF). Ein Bild davon ist hier zu finden (Link)
[6] Forum: Early digital-proportional history. (Link)
[7] Heinz, Gerd: Digitalisierung des Telefons: Erste, integrierte Schaltkreise (IC) aus Ost-Berlin (Link)
[8] Wikipedia: "Funkfernsteuerung" Kap.3.1.4, Analoge AM- / FM-Proportionalsteuerung 27 MHz bis 40 MHz (Link)
Kommentare, Hinweise oder Tips bitte an info@gheinz.de
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