Hobby
Link zur Funkfernsteuerung
Von den Anfängen des
Automodell-Rennsports
Gerd Heinz
Es waren andere Zeiten, als man ein funkferngesteuertes Modell mit Verbrennungsmotor noch nicht kaufen konnte. Die Frage nach einem Elektroantrieb stellte sich damals nicht. Zu groß und zu schwer waren die Akkus, zu leistungsschwach die Elektromotoren. Wer schnell unterwegs sein wollte, brauchte einen Verbrenner. Wollte man Ende der Siebziger in der DDR einen Modell-Rennwagen haben, so mußte man ihn selber erdenken, konstruieren und bauen. Alles war unbekannt. Man konnte nicht einfach mal irgendwo die Komponenten kaufen. Es war kreative und auch harte Arbeit. Weil ich zufällig eine Karosseriezeichnung bekam, war mein Favorit ein Ferrari-Modell.
Während man in anderen Teilen der Republik (Chemnitz und Leipzig) schon weit voraus war und man mit teurem Material aus dem Westen (Servos, Einzelradaufhängung, Motoren, Vergaser, Fliehkraftkupplungen, Differentialen und Funkfernsteuerungen) die Spitze der DDR-Meisterschaft dominierte, waren die Ostberliner Modellbauer eher kreativ unterwegs. Hier entwickelte und baute jeder nach eigenem Gusto, ohne übertriebenen Ehrgeiz. Der eine liebte mehr den vorbildgerechten Nachbau, der andere die Geschwindigkeit. Wir hatten Spaß daran, mit unseren Autos rumzukurven. Da sie schnell und laut waren, zogen sie das Publikum magisch an.
Man traf sich ab und an Mittwoch abends und manchmal auch Samstags im Modellbauclub des Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) Schöneweide, gegenüber vom Betriebsbahnhof Schöneweide (heute Bahnhof Johannisthal). Unter der Obhut von Rainer Quarg, der dort Meister der Lehrwerkstatt war, entstanden Drehteile, Frästeile oder Reifen. Man tauschte Erfahrungen aus.
Wettkämpfe fanden an den Wochenenden auf Parkplätzen, im FEZ oder auf großen Schulhöfen statt. Leider sind mir die Namen der Mitstreiter entfallen, einen aber traf ich zufällig wieder: Unser Mitstreiter Wilfried Stecker baute nach der Wende wieder einen Modellsportclub auf, diesmal im Natursportpark Blankenfelde [1]. Dort werden auch heute noch Rennen gefahren.
Natürlich funktionierte nicht jede Konstruktion so, wie sie sollte. So wurde zwischen den Rennen ständig umkonstruiert, umgebaut und repariert. Auch damals waren die Autos schon recht schnell unterwegs, bei Unfällen gab es meist beträchliche Schäden. Sobald man ein neues Auto fuhr, landete der Schrott vom vergangenen Jahr im Müll.
Ein besonderes Problem war die geringe Stellgeschwindigkeit der DDR-Servos. Mit der "start dp 5" Anlage liefen die Motoren nur auf 3 Volt bei einer Batteriespannung von knapp 6 Volt. Gas und Bremse mußten extrem reibungsarm arbeiten. Auch die Akkus stellten ein Problem dar. Mit 450 mAh kam man nicht weit. Klemmten Gas oder Lenkung nur minimal, brach die Akkuspannung mitten im Rennen zusammen: manchmal mit katastrophalen Folgen.
Auch die Größe der Empfänger-Module der "start dp 5" Anlage (hergestellt von der PGH Radio-Fernsehen Freiberg) war 1978 suboptimal. Weil die Servos "Servomatic-15S" noch keine Elektronik besaßen, hatte man zwei große Boxen (Empfänger und Servo-Modul) in das Modell einzubauen, die noch dazu über große Diodenstecker-Kupplungen verbunden wurden, siehe Bilder der start dp 5 Funkanlage.
In der Zeitschrift "Modellbau heute" fand man Bauanleitungen. Die aber waren naturgemäß von vorgestern. Kupplung, Vergaser, Bremse, Radaufhängung, Reifen, Resonanzauspuff oder Federung entwickelten sich rasend schnell weiter. So bauten die Berliner noch Chemnitzer oder Leipziger Modelle mit starrer Geige nach, als die Autoren der Beiträge schon längst mit West-Servos und West-Funke, Einzelradaufhängung, Differential und Scheibenbremse viel schneller unterwegs waren.
1 Wie ich zum Ferrari-Modell kam
Mein Schulfreund Manfred "Manne" Frankenfeld aus Berlin-Heinersdorf, Aidastr. 14, hatte eine nette Tante, man nannte sie Tante Flügge, aber es war wohl keine Tante, sondern eher eine sehr treue Freundin des Hauses, mit der man damals aus Ostpreußen geflüchtet war. Leider war dieses Thema in DDR-Zeiten ein totales Tabu, als Jugendliche erfuhren wir kein Wort über diese grausame Zeit, die Vertriebenen wurden vom Staat offenbar so massiv eingeschüchtert, daß sie sich nicht trauten, uns Kindern nur die kleinste Kleinigkeit zu erzählen. 1977 brachte Tante Flügge für Manfred einen Plastmodell-Baukasten vom Ferrari 312T (Niki Lauda) aus dem Westen mit.
Bild 1-1: Manfreds Plastmodell des Ferrari 312T im Maßstab 1:12
Ferrari war 1975 nach erfolglosen Jahren in der Formel-1 wieder erfolgreich. Nikki Lauda wurde 1975 Weltmeister mit dem Ferrari 312T [8]. Er kam in die Schlagzeilen, weil er beim letzten Grand-Prix-Lauf 1976 in Fuji (Japan) nach zwei Runden abbrach und den Wagen abstellte. Er führte auch 1976 in der WM-Wertung nur knapp und hätte diesen letzten Lauf durchstehen müssen, um wieder Weltmeister zu werden [2]. Er demonstrierte damit gegen die lebensgefährlichen Rennbedingungen. Bei strömendem Regen und Nebel war der Start immer wieder verschoben worden, gegen abend wurde dann doch noch gestartet.
Durch Regen und Nebel bedingt war die Sicht null - lebensgefährlich bei Tempo 300. Der Fahrer saß mitten zwischen den 100-Liter Tanks und die Fahrzeuge entwickelten von Jahr zu Jahr mehr Leistung. Damals starben in jedem Jahr Rennfahrer. Auch hatte Niki erst kurz zuvor am 1. August 1976 auf dem Nürburgring seinen schlimmen Unfall, bei dem er fast verbrannt wäre und von dem er lebenslang gezeichnet blieb. Niki hatte damit zwar auf den WM-Titel verzichtet, aber moralisch war er für die Medien, wie für uns Jugendliche zum Vorbild geworden.
Der Plast-Bausatz des Ferrari hatte etwa 65 DM (Westmark) gekostet - bei einem Tauschkurs von 1:4 bis 1:5 für DDR-Verhältnisse unbezahlbar, man verdiente i.a. unter 1000 DDR-Mark. Niemand von uns hatte vorher einen Formel-1 Rennwagen im Detail gesehen. Westfernsehen war unmöglich, wenn der Vater SED-Genosse war (die Kinder könnten sich ja in der Schule verplappern).
Zeitungen oder Zeitschriften aus dem Westen gab es schon gar nicht in der DDR. Manne baute das Modell auf. Es stand bei seinen Eltern. Er wurde Berufsoffizier auf dem Flugplatz Peenemünde. Die Frankenfelds blickten auf eine lange, ostpreußische Militärtradition zurück, die er fortsetzen wollte. Im Wohnzimmer standen wunderschön verzierte Krüge von Frankenfeld-Ulanen.
Am 24. Juni 1979, morgens gegen vier Uhr, auf dem Weg von Wolgast zur Kaserne in Peenemünde schlief Manfred auf seinem nagelneuen Motorrad MZ-TS250/1 wahrscheinlich ein. Auf menschenleerer Straße krachte er in Bannemin gegen einen Laternenmast und verstarb noch vor Ort. Es war sein erster Urlaubstag und er war frisch verlobt. Er wollte nur noch "seine Jungs" in der Kaserne um 6 Uhr wecken und sich in den Urlaub verabschieden, er war Oberleutnant auf dem Flugplatz Peenemünde und Chef der Wartungsmechaniker der dort stationierten MIGs.
Diese Seite ist seinem Andenken gewidmet.
Manfred hatte mir den Bauplan des Ferrari-Plastmodells gegeben. Ich rechnete den Maßstab von 1:23 auf 1:8 um und fertigte Zeichnungen der abgerollten Bleche an. Der Rennwagen sollte später in der Klasse RC-V1 fahren. Aber davon wußte ich noch nichts.
Die Idee, so einen Wagen zu konstruieren, faszinierte mich. Obwohl mbh-Leser ("Modellbau heute"), hatte ich einen Bauplan eines Modellrennwagens noch nicht gesehen. Dadurch passierten gravierende Fehler. So liefen die Vorderräder mit negativem Nachlauf (Vorlauf), der Wagen wurde bei hohen Geschwindigkeiten instabil. Zum Glück konnte der Träger gewendet werden. Auch war die Konstruktion im Vergleich zu denen meiner späteren Clubkameraden kompliziert und wartungsunfreundlich.
Bild 2-1: Maßrekonstruktion aus dem Bauplan des Plastmodells. Mit den Bildern entstanden die Zeichnungen für die Ur-Karosse. Auf Format A4 hatten die Bilder einen Maßstab von 1:23,5.
Im November 1978 - ich war drei Tage wegen Grippe krankgeschrieben - wurde ein erstes Modell konstruiert. Als Motor sollte ein vorhandener Selbstzünder "Jena" mit Drosselvergaser hinein kommen. Den hatte ich noch aus der Schulzeit, damals flogen damit meine Fesselflugzeuge. Der DDR-Motor "Moskito" mit Drosselvergaser war für mich nicht beschaffbar.
Eine Dienstreise nach Prag brachte die Chance, einen Glühzünder von MVVS zu besorgen. Das war fast wie ein Hauptgewinn im Lotto: Er bot nämlich nicht nur hervorragende Kennwerte, auch hatte er einen Auspuff nach hinten. Damit löste sich das Platzproblem: Der Schalldämpfer kam an die linke Seite. Allerdings hatte der MVVS keinen Drosselvergaser.
Bild 2-2: Erster Entwurf auf Millimeterpapier im Maßstab 1:8, noch mit Selbstzünder-Motor "Jena II" und mit negativem Nachlauf der Vorderräder.
Die Karosserie des Ferrari 312T wurde aus 0,3 mm dickem Alublech zusammengelötet (in Dresden gab es damals Alulot und Alu-Flußmittel). Der Vorteil vom dünnem Alublech war, daß man es mit der Schere schneiden konnte. Auch konnte man die Kanten bördeln oder an kritischen Stellen dengeln.
Bild 2-3: Noch vorhandene Schnittvorlagen für die Karosseriebleche aus 0,3 mm Alu von 1979. Daneben ein Foto von einer Vorführung im Jahre 2002.
Im Verhältnis zu Kupfer-, Messing- oder Eisenblech ist Aluminium viel leichter. Alternativ hätte man die Ur-Karosse aus Papier oder Pappe zusammenkleben können, aber Alublech erschien mir geeigneter.
Bild 2-4: Das Modell in der Bemalung von 1980/81. Am Deckel der Transportbox ist der Kurbel-Anlasser (rechts) von unten am Deckel festgeschraubt. Der Wagen steht erhöht, die Hinterräder können frei drehen, um den Motor warmlaufen lassen zu können.
Der Klubkamerad vom RC-Club im RAW Schöneweide, Wilfried Stecker [1], zog 1979 die Karosse zweimal aus Glasfaser mit Polyesterharz ab, er war unser Spezialist in dieser Disziplin. Beim Entfernen aus der Form wurde die leichte und detaillierte Originalkarosserie aus Aluminiumblech zerstört. Auch er fuhr dann mit der von ihm abgezogenen Karosserie. Leider gibt es nicht einmal ein Foto der originalen Alukarosse. Man konnte damals nicht einfach eine Lexan-Karosse kaufen, weder im Westen (BRD), noch in der DDR.
Die Lackierung ließ damals Wünsche offen. Rotes Lackspray gab es 1979 in der DDR noch nicht, selbst Ferrari-roter Lack war nicht aufzutreiben. So blieb es bei weißem PUR-Lack mit ein paar handgemalten Verzierungen und irgendwelchen Abziehbildern. Der PUR-Lack wurde mit einer speziellen Haarspray-Dose aufgebracht, in die mittig unten ein Autoventil eingeklebt wurde. Darüber konnte die Dose mit Lack befüllt und anschließend mit einer Luftpumpe unter Druck gesetzt werden.
Dieser Zweikomponenten-Polyurethan-Lack ("PUR-Lack") war damals in fast jedem DDR-Haushalt zu finden, um Holzfenster, Türen und Türrahmen in den Altbauten zu streichen. Der Lack hatte eine extrem harte Hochglanzoberfläche, er war bedeutend härter als Alkydharz-Lack. Gleichzeitig war er vollkommen wasserundurchlässig.
Aber einmal durch feinste Risse ins Holz eingedrungenes Wasser konnte nicht mehr verdunsten, auf Fenster aufgebracht, beschleunigte er den inneren Verrottungsprozeß der Holzfenster von DDR-Altbauten ungemein zusätzlich.
Die Fahrerfigur war ursprünglich aus einer in heißem Wasser härtenden Knetmasse modelliert worden. Da sie zu viele Brüche aufwies, wurde sie bei der Restaurierung mit Glasfaser und Polyesterharz abgeformt.
Die Originalkarosse war besonders vorn vom Renngeschehen mit Rissen, Ausbrüchen und Kratzern arg gezeichnet, weder entsprach die Bemalung dem Vorbild, noch sah sie schön aus. So erfolgte 2013/14 eine Neulackierung nahe am Vorbild.
Bild 2-5: Beginn der Neulackierung 2014: Grundierung weiß. Neue Reifen und Lufthutzen, alte Spoiler.
Der seit 30 Jahren in einer Kiste liegende Lufteinlaß-Hutzen wurde bei dieser Gelegenheit aufgesetzt. Abziehbilder wurden mit dem Farblaserdrucker auf transparente Abziehbild-Folie gedruckt.
Bis 1975 fuhr Lauda mit Lufthutzen, 1976 war der Hutzen aus dem Reglement verbannt. Später kam er wieder. Das erklärt, warum im Internet Bilder von Laudas Ferrari mit und ohne Lufthutzen zu finden sind [8].
Bild 2-6: Abziehbilder für die Neulackierung 2014 wurden mit Powerpoint zusammengestellt.
Die beschädigten Spoiler wurden erneuert, neue Reifen wurden aus 20 mm Mossgummiplatten mit Wasserstrahl geschnitten, die alten Reifen waren steinhart geworden. Der MVVS-Originalmotor wurde gegen den nagelneuen Reservemotor ausgetauscht, der 30 Jahre lang in einer Kiste geschlummert hatte. Die Pleuelbuchsen des originalen Motors hatten sich etwas geweitet.
Bild 2-7: Nach Abschluß der Neulackierung 2014.
Den Abschluß bildete eine Lackierung mit Klarlack. Kleiner Makel: Der Klarlack bildete in Kanten eine leichte "Orangenhaut". Wahrscheinlich hatte ich zu schnell lackiert.
Aber noch schlummerten unter der Karosse viele Neuteile von 1992. Würde ein Rückbau auf den Stand von 1980 möglich sein?
Parallel zur Karosserie entstand das Fahrgestell. Alleinstellungsmerkmal war ein liegender Motor. Ich hätte es nicht ertragen, wenn das Heck von einem überdimensionalen Zylinderkopf mit Kühlkörper verunstaltet worden wäre.
Nun hat ja so ein Extremkühlkopf eine Aufgabe. Er muß viel Wärme abführen. Wie aber führt man die Wärme ab, wenn der Motor mitten im Modell liegt? Bei Maximalleistung des Motors von immerhin 700 Watt und einem Wirkungsgrad von vielleicht einem Drittel wären maximal 1,4 Kilowatt abzuführen?
Nur zum Vergleich: Ein Heizlüfter hat ein bis zwei Kilowatt. Nun, einerseits werden Modell-Methanolmotoren durch Kraftstoffüberschuß auch von innen gekühlt. Auch wird die maximale Leistung nur beim Beschleunigen kurzzeitig abgerufen. Dennoch darf der Motor nicht überhitzen.
Die Lösung war eigentlich einfach. Aus einem Alu-Kühlkörper einer Senderröhre wurde ein spezieller Kühlkopf gedreht, der unten flach im Alu-Chassis aufliegt und der von vorn mit Luft durchströmt wird. Das Chassis dient zusätzlich als Kühlkörper.
Und es funktionierte. Mit diesem Teil der Konstruktion gab es nie Probleme. Wohl aber mit dem daraus resultierenden Zusatzgewicht im Heck. Der Wagen bricht hinten recht schnell aus, wenn er übersteuert wird.
Bild 3-1: Chassis ohne Heckspoiler und ohne Getriebeabdeckung. Man erkennt den liegenden Motor (Stand 1992-2013).
Der MVVS-Motor wurde mit einem Moskito-Vergaser bestückt. Der Luftfilter entstand aus einem mittels Lötkolben umgeschweißten PE-Fläschchen mit vielen Löchern, über das ein zusammengenähter Nylonstrumpf (blau) gestülpt ist.
Bild 3-2: Module des Chassis: (vonu.) Servoplatte von 2023, Auspuff, Chassis und Tank. Rechts: Vorderachse und Stoßfänger (Restauration 2014). So sauber waren die Teile zuletzt 1979, vor dem ersten Straßenkontakt.
Der Stoßfänger war zunächst im Wettkampfgeschehen ein echtes Problemkind. Nahezu bei jedem Training wurde er "erprobt" und verbogen oder zerstört.
Anfangs bestand er aus einem geklemmten 2mm-Alublech, welches den Stoß absorbieren sollte. Der eigentliche Bugspoiler aus 0,3 mm dickem Alublech war auf einen Zwischenträger aus 0,5mm Alublech befestigt. Aber es funktionierte nicht.
Bild 3-3: Ansicht von unten. Man erkennt das Schwungrad, an dem der Motor angelassen wird, sowie das Zahnrad-Schutzblech.
Es dauerte eine Weile, bis einer der Mitstreiter die Idee hatte, Stoßfänger aus einem Schmutzfänger (z.B. eines "Trabant 601") zu schneiden (das waren die Teile, die in der DDR hinter den Rädern jedes PKW zu hängen hatten). Das Material war fest und zäh genug für die Aufgabe.
Das Schmutzfänger-Material funktioniert als Stoßfänger besser, als die heute üblichen Moosgummivarianten. Eigene Erfahrung mit einem VG10-Modell von Xray: Der Moosgummi wird bei jedem, kleinsten Ausrutscher zerfetzt. Wobei Ausrutscher bei Geschwindigkeiten oberhalb von 50 km/h meist mit Überschlag enden, siehe den Film in [12].
Bei der Reko 2014 wurde der Stoßfänger verkleinert. Ein Klettverschluß für die lackierte GoodYear-Fläche wurde aufgesetzt, damit man die Werbefläche für Vorführungen abnehmen kann.
Bild 3-4: Einbau des Motors ins Chassis. Links ohne Getriebeabdeckung und Kerzenstecker, rechts mit. Eine (Reserve-) Kupplungsglocke aus Aluminium wurde entdeckt und eingebaut.
Im rechten Bild ist die frei bewegliche Bremsscheibe zu erkennen. Bei voll geöffneten Bremsbacken kann sie auch mal schräg stehen. Diese Scheibenbremse war ein Zukaufteil von einem Sportsfreund. Sie funktioniert bis heute besser, als Schlingfederbremse oder die Kegelbremsen.
Zukauf- Teile waren zu Baubeginn 1978 (DDR) der 2,5 ccm-Motor von MVVS, der Drosselvergaser vom Moskito, die zwei Servos ohne Elektronik und der Akku. Alles andere war manuell gefertigt. Drehteile waren:
Lagerschalen für die Hinterrad-Kugellager, Achsschemel und Motorhalterung wurden jeweils aus einer 8 mm dicken Aluplatte angefertigt.
Bild 3-5: Hinterachsaufbau. Links: Konisch ausgedrehte Felgen für die Konusbremsen der ersten Version. Darunter: CrVd-Welle 8 mm mit Zahnradsatz, Scheibenbremse und Lagerböcken. Rechts: Kleines Ritzel und großes Zahnrad mit Welle im Lagerbock. Darunter: Großes Ritzel auf Kupplungsglocke, daneben kleines Zahnrad.
Felgen, Kupplung, Konusbremsen, Freiläufe und Hinterrad-Welle wurden gedreht. Zwei Sätze Zahnräder wurden nach Hildebrand [3], S.517 berechnet als Evolventenverzahnung auf gleichen Wellenabstand von 76,2 mm mit einem Modul von 0,6. Als Grenzzähnezahl wurde 17 gewählt. Nicht ganzzahlige Teiler sorgen für aperiodische Untersetzungsverhältnisse. Es ergaben sich die Zahnradpaarungen 22+105 = 127 bzw. 17+110 = 127 für die Untersetzungen 105/22 = 4,7727 bzw. 110/17 = 6,4705.
Um Sand und Steinchen fernzuhalten, ist das Getriebe gekapselt. Ein "Frischöl"-Schlauch führt aus dem Auspuff-Sumpf ins Getriebe, siehe Bild 11-2. Der zweite Schlauch geht an den Drucktankanschluß des Tanks. Für Bild 3-1 wurde die obere Getriebeabdeckung abgenommen.
Interessant an der Zahnradberechnung, wie an allen Maßstabsumrechnungen: Man hatte damals noch keinen Taschenrechner. Man rechnete Multiplikation und Division mit einem Rechenschieber auf maximal drei Dezimalstellen genau. Die Kommastelle hatte man im Kopf zu behalten. Additionen und Subtraktionen erfolgten schriftlich.
Bild 3-6: Links Bremsscheibe mit Bremsbacken und Bremshebel aus Messing (unten). Rechts Lenkschemel und linkes Vorderrad. Der Nachlauf [11] des Vorderrades ist zu erkennen, die Drehachse des Rades liegt hinter der Lenkachse.
Kompliziertere Teile konnten im Musterbau des INT angefertigt werden. So wurden die Zahnräder dort gedreht und gefräst. Auch wurden die Felgen und die komplizierte Motorhalterung (aus einer gebogenen Aluminiumplatte 6 mm dick) dort gefertigt. Da ich exakte Zeichnungen übergab, paßte auch alles. Ein Besuch kostete zwar mindestens ein Päckchen Kaffee oder eine Flasche Goldbrand, auch hatte man meist ein bis zwei Wochen zu warten, bis der Kollege zwischendurch Zeit fand, aber das war zu verkraften.
Bild 3-7: Heckspoiler mit Antenne nach Restaurierung 2014. Die tragenden Teile des Heckspoilers sind miteinander vernietet.
Gestartet wird der Motor von unten an der Schwungscheibe. Dazu wird das Modell in die Halterung einer umbebauten Handschleifmaschine gesteckt. Deren Schleifscheibe wurde durch ein großes Gummirad aus dem Modellbauhandel ersetzt, siehe Bild 2-4 und Bild 7-2.
Im Nachgang betrachtet, hätte man die Konstruktion einfacher machen müssen. Aber hinterher weiß man es besser. Scans verbliebener Zeichnungen finden sich in [4]. Erstaunlich ist, daß bis heute (2023) kein Modellmotor-Hersteller einen liegenden Motor anbietet, der einfach auf die Alu-Grundplatte des Chassis geschraubt werden kann und durch diese gekühlt wird.
Nun konnte man damals kein Differentialgetriebe für den Antrieb kaufen. Eigenbau war zu aufwendig. Auch war eine Teilung der Antriebswelle nicht wirklich machbar. Was also tun? Die Hinterräder erhielten auf jeder Seite einen Freilauf. Er bestand aus in den Hinterrädern liegenden Freilaufkupplungen mit sich verklemmenden Wälzkörpern in der Art von [3] S.743, Bild 3.713 d). Somit konnte das schnellere Rad, in Kurven das äußere, auskuppeln und frei vorwärts drehen.
Damit entstand aber ein weiteres Problem: Nun mußten beide Hinterräder einzeln gebremst werden. Es entstand die Idee, die Felgen auf der Innenseite konusförmig zu gestalten. Bewegliche, konische Bremsklötze drückten beim Bremsen von innen in die Felgen. Die Berechnung des Konus-Winkels erfolgte mit dem Hildebrand [3], S.734. Wird der Winkel zu steil, fehlt die Bremskraft, ist er zu flach, verklemmen die Bremsbacken. Aber alles schien gut zu gehen.
Bild 4-1: Links sind die Konusbremsen aus Pertinax zu erkennen. Sie wurden durch zwei Hebelbleche (oben) in die Alu-Felgen gedrückt. Rechts oben: Die Schlingfederbremse mit Bremsklotz aus Pertinax. Rechts unten: Das zweite Zahnradpaar des Antriebs.
Die Konusbremsen funktionierten im Stand oder bei niedrigen Drehzahlen hervorragend. Aber sie versagten, wenn sie gebraucht wurden, nämlich genau dann, wenn die Hinterräder sehr schnell drehten. Offenbar sorgten Radvibrationen dafür, daß die Bremsen dann nicht mehr griffen.
Nach einigen Versuchen wurden die Freiläufe und die Konusbremsen aus den Hinterrädern entfernt und durch eine klassische Schlingfederbremse auf der Kupplung ersetzt. Damit entfiel das Pseudodifferential.
Anschließend fuhr der Wagen wie die meisten anderen damals mit sog. "starrer Geige", d.h. mit fest an die Welle angeschraubten Hinterrädern. Damit brach das Modell in engen Kurven zwar eher aus, aber wenigstens konnte man jetzt ordentlich bremsen. Bei der DDR-Meisterschaft 1982 kam dann schließlich eine Scheibenbremse zum Einsatz. Sie bot ein ausgewogeneres Bremsverhalten mit einem Maximum an Bremskraft.
Mein erster VW-Passat von 1990 hatte ein Problem mit der Lenkung. Schlug man die Lenkung maximal ein, dann knirschte bei enger Kurvenfahrt der Sand unter den Vorderrädern. Eine Messung zeigte: Die Vorderräder schlugen parallel ein. Aufgrund sehr beengter Platzverhältnisse konnte das innenlaufende Vorderrad nicht stärker einschlagen als das Äußere.
Dazu sollte man wissen, daß jedes Rad auf einem anderen Radius R um eine Kurve rollt, siehe Bild 5-1.
Bild 5-1: Bei Kurvenfahrt rollt jedes Rad in einem anderen Radius R um den Kurvenmittelpunkt.
Wenn ein Wagen um eine Kurve fährt, muß folglich das innere Vorderrad stärker einschlagen, als das äußere. Vorder- und Hinterräder rollen nicht etwa hintereinander, alle vier Räder rollen in jeweils einem anderen Radius um die Kurve.
Auch die Drehzahlen der Räder richten sich nach diesem Radius. Alle vier Räder rollen folglich auch mit verschiedener Drehzahl durch die Kurve. Bei der Linkskurve im Bild dreht zB. das rechte Vorderrad am schnellsten, das linke Hinterrad am langsamsten.
Moderne PKW nutzen diese Eigenschaft, um mit Drehzahlsensoren an den Rädern Drift, Übersteuern oder Luftverlust der Reifen zu erkennen.
Um die verschiedenen Raddrehzahlen ausgleichen zu können, benutzt man Differentialgetriebe. Da hier nur die Hinterachse getrieben wird, wäre ein Differentialgetriebe in der Hinterachse optimal, siehe Pseudodifferential.
Als ich 1978 mit dem Bau der ersten Funkfernsteuerung anfing, wurden die Servomotoren der Servomatic noch mit +/- 3 Volt in Halbbrückenschaltung betrieben. Sie waren recht langsam, siehe auch den Link zum Datenblatt in Bild 7 der Funkfernsteuerung. Dank ihrer hohen Übersetzung ließen sie sich auch nur ganz schwer passiv drehen, was bei Wartungsarbeiten zum Problem wird.
Um Anlenkmoment und Lenkkräfte so gering wie möglich zu halten, wurden die Vorderräder so konstruiert, daß deren Achsschenkel- Drehpunkt so weit als möglich mittig im Rad liegt. Um sie einfach zu gestalten, wurden die Drehschemel aus 10 mm dicken Alublöcken gefertigt, siehe den Zeichnungssatz [4]. Im Prinzip war damit aber aus Platzgründen nur ein Paralleleinschlag der Vorderräder möglich.
Schon damals gab es eine Standardlösung für dieses Problem, die Ackermann-Lenkung oder Achsschenkellenkung. Leider war diese Lösung nicht machbar, eine Fertigung der Achsschemel aus Spritzguß war nicht verfügbar.
Ein Blick auf die Konstruktionszeichnung in Bild 2-2 zeigt eine spezielle Lösung zur Verkürzung bei Lenkeinschlag. Leider aber übersah ich, daß die Vorderräder auf diese Art nicht nachlaufen, bei hohen Geschwindigkeiten wurde das Fahrzeug instabil.
So wurde die Vorderradplatte gewendet. Zum Glück war das möglich. Nun liefen die Vorderräder zwar nach und man konnte auch Gas geben, aber die Platzverhältnisse waren noch immer beschränkt.
Die Lösung ergab sich als kreative Weiterentwicklung der Ackermannlenkung. Statt durchgehender Spurstange erzwang das mittig liegende Servo ohnehin eine geteilte Spurstange. Legt man nun beide Anlenkpunkte auf der Ruderscheibe nicht übereinander, sondern nebeneinander, so schlägt das innere Rad stärker ein, als das Äußere.
Da bei Unfällen meist die Vorderräder die größten Kräfte aufnehmen müssen, war ein Servoschutz unabdingbar. Nach einigen untauglichen Versuchen (Bild 2-1) entstand die Idee, den Servoschutz in der Fahrzeugmitte zu platzieren (Bild 5-2). Durch die seitlich versetzte Ansteuerung der Spurstangen entsteht zwangsläufig ein Verkürzungswinkel bei Lenkeinschlag.
Die geometrische Verkürzung der Spurstangen bei Lenkeinschlag übernimmt damit der Servoschutz.
Bild 5-2: Pseudo-Ackermann-Lenkung im Servoschutz (mittig). Er übernimmt gleichzeitig die Rolle der Spurstangenverkürzung. Foto nach Umbau mit leistungsstarkem Lenkservo und Ruderhörnern von 1992.
Zwischen die Achsschemel ist eine Feder gespannt, die für Spielfreiheit der Achslager sorgt - wichtig für präzises Lenkverhalten. Die Feder wird bei Lenkeinschlag kaum gedehnt, sie kann also recht hart sein. In der roten Hülse läuft die Stange des Ein- Ausschalters der Fernsteuerung.
Bild 5-3: Links: Servoschutz. Man erkennt einen V-förmigen Schlitz zwischen Ober- und Unterteil. Rechts: Blick in das linke Vorderrad. Fotos nach Rückbau auf den Stand von 1980. Man erkennt einen leichten Nachlauf des Rades, der zu stabilem Fahrverhalten führt.
Der Servoschutz arbeitet mit einer starken Klemmfeder im Innern, die die keilförmig gestalteten Ober- und Unterteile zusammenpreßt.
Wie der Zeichnungssatz [4] (Blatt 7) erahnen läßt, wurde die Kombination aus Achsschemel und Achsträger mit einem Radsturz von Null bei Geradeausfahrt realisiert, der bei Kurven in einen negativen Sturz übergeht, das Rad neigt sich dabei oben leicht nach innen. Dazu wurden die Achsschemel von oben leicht schräg gebohrt. Realisiert wurde ein vereinfachter Achsträger aus 2mm Alu. Nachteil dieser Konstruktion ist eine Klemmgefahr, die durch erhöhtes Vertikalspiel ausgeglichen werden muß.
Da sich die Radlast bei Kurvenfahrt nach außen verlagert und das äußere Rad stets mehr trägt, wurde die Vorspur leicht negativ eingestellt. Allerdings war nicht erkennbar, ob sich das Fahrverhalten dadurch verändert. Zu den kursiv markierten Begriffen siehe auch [11].
Hatte ihr Motorrad oder Auto schon mal ein defektes Getriebe? Ich hatte das Problem als Student 1975 am Balaton. Mit Mühe konnte bei meiner MZ TS250 nur noch der dritte Gang eingelegt werden. Nach Berlin ging es über 1000 Kilometer nur im dritten Gang. Ein Albtraum. Im Stau bergauf hatte man abzusteigen und zu schieben.
Für den Ferrari lag die Konstruktion eines Getriebes mit mehreren Gängen außerhalb der Möglichkeiten. Um aber nur mit einem Gang fahren zu können, muß der Motor extrem elastisch sein, insbesondere muß er höchste Drehzahlen verkraften.
Der MVVS-Motor wurde favorisiert, weil er einen sehr leichten Kolben hatte. Er kam eigentlich aus der Weltrekordjagd im Fessel-Hochgeschwindigkeitsflug und konnte hoch überdrehen [9]. Drehzahlen bis 32.000 U/min waren möglich. Dasselbe Geräusch wie damals ist auch heute noch ab und an bei Wettkämpfen zu hören, siehe ein Wettkampfvideo von 2014 unter [6]. Der Motor wird von unten an der geriffelten Schwungscheibe angelassen.
Bild 6-1: Links: Motor mit Fliehkraftkupplung und Hinterachslagern. Rechts: Die Kupplungsglocke wurde abgezogen. Die zwei Fliehkraftgewichte werden durch zwei Ringfedern zusammengezogen. Rechts oben: Zwei verkleinerte Kupplungsbacken zusammen mit dem Original.
Ein Problem entstand bei der konischen Einpassung des Ritzels in die Kupplungsglocke, wie auch bei der konischen Einpassung des Schwungrades auf der Motorwelle. Aufgrund von Vibrationen in Verbindung mit variierenden Temperaturen lösten sich diese Passungen ab und an, was nur mit Ausbau des Motorträgers mit einem Zeitaufwand von mehr als einer Stunde zu korrigieren ist.
Allerdings konnten wir damals von heutigen Rundenzeiten nur träumen. Da man ständig mit Zeitmangel, unzureichendem Material und mit den Tücken der eigenen Konstruktionen zu kämpfen hatte, fehlte die Zeit für das Training. Wir hatten nicht nur schlechteres Material, sondern waren im Vergleich zu heute wohl auch die viel schlechteren Fahrer.
Wenn man sich das Video [6] ansieht, bekommt man eine Ahnung, wieviel Training und wieviele "zerschossene" Modelle erforderlich sind, um den heutigen Leistungsstand zu erreichen. Bei der Formel-1 rollt man um die Kurven. Hier aber fahren die Erstplazierten driftend, wie auf Glatteis, um die Kurven. Und das trotz viel höherer Haftreibung. Formel-1 Fahrer haben wahrscheinlich große Reserven, um dieses Leistungsniveau erreichen zu können.
Ein Blick auf das Driften eines neuzeitlichen Modells der Klasse VG10 (Maßstab 1:10, Motor mit 2 cm³) zeigt, wie sehr diese Wagen "auf Glatteis" unterwegs sind. Trotz Allradantrieb und Moosgummireifen mit höchster Haftreibung führt ein minimal zu starkes Gasgeben zum sofortigen Ausbrechen, siehe den Film in [12].
In Bild 3-1 erkennt man den liegenden Motor mit liegendem Kühlkopf. Der MVVS-Motor wurde mit einem Moskito-Vergaser bestückt. Der Luftfilter entstand aus einem mittels Lötkolben umgeschweißten PE-Fläschchen mit vielen Löchern, über die ein zusammengenähter Nylonstrumpf als Filter gezogen wurde.
Bild 6-2: Prospekt des verwendeten Motors MVVS 2,5 GF. Der Motor ist bei Nenndrehzahl von 26.000 U/min mit 515 Watt ohne, bzw. 700 Watt mit Resonanzauspuff angegeben, das sind 0,68 PS bzw. 0,952 PS.
Der Auspuff wurde am Motoranschluß schon damals mit einer elastischen Dichtungsmasse gerundet ausgeformt, um die Resonanzeigenschaften des Auspuffs zu optimieren. Damit sollte eine Resonanzwirkung bei höchsten Drehzahlen erreicht werden.
Zwei dienstliche Besuche bei Tesla in Prag wurden genutzt, um im Modellbauladen Modelar, Źitná 39, 11000 Praha 1 den Motor und zwei Jahre später noch einen Reservemotor im Dúm techniky mládeźe, Národni tř. 28/60, 11000 Praha 1 (Rechnungsbeleg über 465,- Kronen) zu kaufen. Die Einfuhr in die DDR war möglicherweise nicht gestattet. Man schwitzte bei der Grenzkontrolle.
Bild 6-3: Der originale MVVS-Motor mit dem eingeklebten Moskito-Drosselvergaser (hier ohne Kühlkopf). Links daneben der Reserve-Drosselvergaser. Der Motor war ursprünglich mit Schultafel-Farbe matt-schwarz gestrichen zwecks besserer Wärmeabstrahlung.
Vom DDR-Motor "Moskito" gab es den Drosselvergaser als Ersatzteil von VEB Prefo Dresden, Werk III Modellbahnzubehör, 8245 Glashütte/Sachsen über den Händler Permot (Modelleisenbahnen und Zubehör) HSL-Nr. 5468220 Art.-Nr. 39903253 für EVP 13,70 Mark. Ein Moskito-Vergaser in Originalverpackung ist noch vorhanden, siehe Bild 6-3. Zum Vergaser gehörte etwas, was heute nicht mehr bekannt ist: eine Auspuffdrossel (links oben), die aber nur beim Moskito-Motor verwendet werden konnte. Mit Auspuffdrossel lief dieser Motor völlig ohne Schalldämpfer - heute wegen des Lärms undenkbar.
Der Moskito-Vergaser hatte nicht die passende Bohrung für den MVVS-Motor, auch reichte der Platz nicht ganz aus, er mußte in einem steilerem Winkel in den Motor eingesetzt werden. Der Einlaß wurde aufwendig umgefeilt und der Vergaser wurde mit Epoxydharz EP11 eingeklebt. Erstaunlicherweise hält die Verbindung bis heute.
7 Besonderheiten der Konstruktion
Wie schon dargestellt, ist die Einbauart des Motors exotisch. Er liegt im Chassis. Die Kühlung schien damit problematischer, aber es brachte auch Vorteile mit sich. Da man mit dem Kerzenstecker schlecht von vorn an die Kerze kommt, erhielt die Kerze einen Dauerstecker. Ein Kabel lief zur Buchse im Heck.
Bild 7-1: Auf der Startbox. Originalzustand vor Restaurierung 2013.
Auch die Düsennadel des Vergasers und der Tankverschluß waren von außen zugänglich, ohne die Karosse abnehmen zu müssen, siehe Bild 7-1. Die Düsennadel wurde über ein Stück Kautschukschlauch und ein Alu-Röhrchen nach oben verlängert, sodaß man das Methanol/Luft-Gemisch von oben nachregulieren konnte. Ein Zettel in der Startbox beschreibt die Prozedur des Anlassens:
Die von oben verstellbare Düsennadel der Hauptdüse des Vergasers bot den Vorteil, daß man während eines Rennens die Einstellung der Hauptdüse blitzschnell korrigieren konnte, falls der Motor je nach Wetter und Strecke zu fett oder zu trocken lief.
Bild 7-2: Modell eingehängt in den Anlasser. Eine Kurbelschleifmaschine wurde mit einem Modelltraktorreifen zum Anlasser umgebaut.
Falls der Motor bei einem Ausrutscher ausging, konnte wieder gestartet werden, ohne die Karosse abnehmen zu müssen. Nicht zuletzt ist die Karosse vorn nur eingehakt, hinten wird sie von einer Haltefeder fixiert, man kann sie innerhalb von einer Sekunde abnehmen. Häßlich große Löcher für den Tankverschluß und für den Kerzenstecker waren nicht erforderlich. Leider vermißt man solche Details auch bei heutigen Wettbewerbsmodellen noch immer.
Auch ein bis heute unbekanntes Novum: Das Getriebe ist gekapselt und mit einer Art Frischöl-Automatik versehen. Das im Auspuff sich unten sammelnde Öl wird ins Getriebe geleitet. Insofern war die Konstruktion recht robust. Die Flanken der Zahnräder sehen auch heute noch fast aus wie neu.
Schon 1977/1978 wurde nach Feierabend die Funkfernsteuerung gebaut: Allein damit verging ein Jahr, siehe die Seite zur Funkfernsteuerung. Der Wagen war vielleicht der einzige, der je mit einer Eigenbau-Funkfernsteuerung mit Postzulassung fuhr.
Damals wie heute fuhr man Rennen mit einem maximal erlaubten Tankinhalt von 125 ml (Milliliter). Vorläufe gingen über 5 Minuten, Finalläufe über 20 bis 30 Minuten. Bei der DDR-Meisterschaft hatte jeder Teilnehmer das Recht, an drei Vorläufen teilzunehmen. Man hielt sich an das europäische ERFA-Reglement.
Der Tankinhalt reichte etwa für 15 bis 20 Minuten, das hieß, man mußte im Finallauf meist nachtanken. Dazu war anzuhalten und wieder anzufahren. Schnelles Anfahren war nicht die Stärke des Modells.
Ursache war eine etwas überdimensionierte Glocke der Fliehkraftkupplung und eine etwas zu große Schwungmasse, damit kommt der Motor langsamer auf Touren. Auch mußte man behutsam Gas geben, damit er nicht abstirbt.
Die etwas zu groß dimensionierte Kupplung neigte dazu, etwas hart einzukuppeln, was im Extremfall zum Abwürgen des Motors führen konnte. Um dem vorzubeugen, wurden die Kupplungsbacken mehrmals verkleinert, die Federn wurden immer härter gestaltet. Es half nicht vollständig, eine kleinere Kupplung hätte konstruiert und eingebaut werden müssen.
Bild 9-1: Bilder von 2013 und zwei Wettbewerbsmedallien von 1980 und 1981. Darunter Ausschreibung zur DDR-Meisterschaft 1982.
Mit diesem Problem gestalteten sich fast alle Berliner Rennen 1980/81 ähnlich. Am Start lag der Ferrari meist hinten - weil das Einkuppeln sanft und mit Vorsicht vorzunehmen war. Wenn der Wagen aber rollte, kuppelte man nicht mehr, außer, man hatte einen Ausrutscher und flog von der Piste. Und wenn man hinten war, fuhr man gemütlich hinterher, immer bemüht, den Motor auf Drehzahl zu halten.
Während sich die vorn liegenden gegenseitig nervös machten und ins Abseits schubsten, holte man Runde für Runde auf. Da jeder Rausschubser oft mehr als eine Runde kostet, lag man zum Schluß vorn - mit den meisten Runden meist ganz vorn. Und keiner der Anfangs vorn liegenden hatte es bemerkt.
Somit bot die etwas zu groß dimensionierte Kupplung nicht nur Nachteile. Schlicht lernte man dadurch, den direkten Zweikampf zu meiden, weil dabei das Risiko "abzufliegen" und Runden einzubüßen meist höher war als der mögliche Nutzen.
Ich fuhr mit dem Modell zwei Jahre 1980 und 1981 in (Ost-) Berlin RC-V1-Rennen und war hier in Berlin recht erfolgreich. 1982 war ich für Berlin zur 8. DDR-Meisterschaft im Automodellsport delegiert (vom 1.-4. Juli 1982 in Görlitz, Klasse RC-V). Dort fuhren bereits erste Rennwagen mit Einzelradaufhängung und Differential. Einen West-Bausatz bekam man für 900,- (DDR-) Mark. Und mit Servos aus dem Westen: Die waren schneller als die bei uns erhältlichen "Servomatic 15 S". Vor allem aber hatten sie eine geringere Untersetzung, sodaß man sie auch passiv bewegen konnte.
Dummerweise hatte ich bei der DDR-Meisterschaft im Training vor dem offiziellen Training einen Ausrutscher, bei dem die Hinterradwelle, sie bestand aus 8 mm dickem Chrom-Vanadium-Stahl (Werkzeugstahl), minimal verbogen wurde. Um sie zu richten, standen Autowerkzeuge, Rohre, große Steine und Holzklötze zur Verfügung. Es klappte nicht wirklich. Der Wagen fing bei höheren Geschwindigkeiten an zu flattern, man konnte nicht Gas geben. Auch bereiteten einige, sehr hohe (1 cm) Teerfugen große Probleme. Die Konkurrenz hatte bereits Einzelradaufhängung und heizte darüber hinweg. Mit ungefederter Hinterradachse mußte man abbremsen.
Ich schaffte nicht einmal die Qualifikation für das Finale. Um vorn mitfahren zu können, hätte ich neu bauen müssen - mit Einzelradaufhängung, schnelleren Servos aus dem Westen und Differentialgetriebe. Das war ohne Westgeld und ohne Beziehungen aussichtslos.
Ich entschied mich, den Modellsport an den Nagel zu hängen und stattdessen zu promovieren. Mead/Conway hatten 1980 in Ihrem weltberühmten Buch "Introduction to VLSI-Systems" einen Weg angedeutet, wie man hochintegrierte Schaltkreise schneller machen kann. Dieser Weg sollte ausgebaut werden mit einer Analyse der Dynamik von CMOS-Logikgattern.
Der Ferrari schlummerte in seiner speziellen Transportkiste. So blieb er als eines der ganz seltenen Unikate aus dieser fernen Zeit des Eigenbaus von Modell-Rennwagen erhalten. Irgendeine Eingebung hat mich immer wieder daran gehindert, den "Schrott von damals" einfach wegzuwerfen. Und nun, als Rentner, entdeckte ich ihn wieder.
Leider waren die Potentiometer der Servos und des Senders nach zwei Jahren Wettkampfbetrieb verschlissen. Und für die Servos gab es keine passenden Ersatz-Potis. 1992, nach der Wende - nun hatten wir Westgeld - baute ich eine gekaufte Funkfernsteuerung und schnelle, starke Servos ein.
Bild 9-2: Bilder von der DDR-Meisterschaft 1982 in Görlitz. Sie wurden in der Zeitschrift "Modellbau heute" (mbh 6'82, S.2) veröffentlicht. Meine Startbox ist zu erkennen. Man beachte vielen Zuschauer: Heute undenkbar.
Die Namen zu erkennender Mitstreiter sind mir leider entfallen. Auch der Ort des Geschehens ist in Vergessenheit geraten. Wenn jemand helfen kann: Danke im voraus!
Vielleicht ist Ihnen aufgefallen, daß der Kühlkörper des Motors etwas verzogen ist? Daran war 1980 ein Motorradunfall auf der K-Wagen-Rennbahn Lohsa (heute Kartbahn Lohsa) schuld. Ich saß als Beifahrer hinten auf meiner MZ TS250 und lenkte den Ferrari. Bis darauf, daß die TS beim Beschleunigen keinerlei Chance hatte und ich nach jedem Gasgeben wieder bremsen mußte, schien alles gut zu gehen.
Leider verbremste ich mich bei einem Tempo von etwa 60 km/h etwas und der Wagen brach hinten aus und schoß auf den Grünstreifen. Ich gab Vollgas und schaffte es, ihn wieder zurück auf die Bahn zu steuern. Doch da hatte ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Trotz Vollbremsung war das Motorrad noch so schnell, daß wir mit dem Vorderrad auf dem Ferrari zum Stehen kamen. Es war ziemlich viel kaputt und verbogen. Bis auf den Kühlkörper aber ließ sich alles wieder richten.
Gegen 1980 gab es in der DDR nur zwei Wettkampfklassen, beide im Maßstab 1:8. In der RC-V1 (für Radio-Controlled, Verbrenner 1) waren Modelle von Formel-1 Rennwagen mit freiliegenden Rädern am Start. In der anderen, der RC-V2, war die Karosse über den Rädern geschlossen. Achsabstand, Länge, Breite, Höhe, Tankinhalt und Hubraum waren limitiert. Das war es auch schon.
Im Westen war man erheblich weiter, das scheint auch ein Foto auf der Homepage des Deutschen Minicar Club e.V. (DMC) aus dem Jahr 1973 zu beweisen ([5] "Termine"). Dieser wurde bereits 1971 gegründet. Proportionalanlagen und Elektronik-Servos wurden erst etwa zehn Jahre später in der DDR produziert. Leider waren auch westliche Modellbau- Zeitschriften in der DDR legal nicht zu erhalten.
Heute heißt die entsprechende Klasse VG8. Ein Blick in die DMC-Bestimmungen ([5] "Regeln") verrät, daß der Ferrari heute nicht mehr mitfahren dürfte. Gewicht und Abmessungen passen zwar, aber heute sind nur noch "homologisierte" Karossen, Motoren und Schalldämpfer erlaubt. Auch würden sich die Einheitsreifen nicht montieren lassen.
In den DMC-Bestimmungen heißt es:
"Es dürfen nur Karosserien verwendet werden, die in den Karosserie-Listen von EFRA, ROAR oder FEMCA geführt werden. ... Die entsprechende EFRA-Nummer muß eingeprägt sein." Und an anderer Stelle: "Es dürfen nur EFRA-homologierte Auspuffrohre verwendet werden..." Und so weiter. Der Kommerz läßt grüßen?
Mit anderen Worten: Nur gekaufte Karosserien, Reifen und Schalldämpfer mit eingeprägter EFRA-Nummer sind zulässig. Für mich klingt das nicht überzeugend, wenn man vorgibt, die Kreativität und die handwerklichen Fähigkeiten von Jugendlichen fördern zu wollen. Hat man Angst vor Innovationen? Warum eigentlich?
Bild 10-1: Wettkampfpause im Fahrerlager. Aufnahme eines VG8-Modells (Marke XRAY) in Senftenberg 2014 [6]. Ölnebel zieht den Straßenstaub magisch an.
Im Bild erkennt man den Motorkühlkopf und den Luftfilter (blau). Ganz links sind die auf der Motorwelle hinter der Kupplung liegenden Ritzel des Zweigang-Automatik Getriebes zu erkennen. Der Tank liegt mittig, der Resonanzschalldämpfer mit Drucktankschlauch ist rechts zu sehen. Die Differentiale vorn und hinten befinden sich unter den Zahnriemen. Unterhalb der Ritzel ist das Gas- Brems- Servo zu erkennen, darunter das Lenkservo im Alugehäuse. Der daneben liegende Fön dient dem Vorwärmen des Motors.
Man sieht es sogleich: Aufgrund des hohen Ölanteils im Kraftstoffgemisch des Zweitakt- Dieselmotors (offizielle Nomenklatur der Zweitakt- Glühkerzen- Verbrenner) ist das ganze Modell stets einem Ölnebel ausgesetzt. Und Öl zieht den Straßenstaub magisch an. Tendenziell hat man den Eindruck, daß der aktuelle Trend deshalb in Richtung Elektromodelle geht. Fährt man mit E-Modellen dann auch noch in einer Halle, macht man sich die Finger nicht mehr schmutzig. Schade eigentlich.
PKW-Entwickler aufgepaßt: Der Modellbau ging in der technischen Entwicklung immer wieder einmal voran. So fliegt man schon seit der Jahrtausendwende Kunstflugmodelle mit LiPo-Akkus auch im senkrechten Steigflug (mit einem Schub zu Gewichtsverhältnis von zwei). Erst zehn Jahre später gab es elektrische PKW mit LiPo-Zellen, die aber Anfängerkrankheiten wiederholten, die man im Modellbau schon zehn Jahre vorher ausgemerzt hatte (überhitzte Akkus, Form der Akku-Zellen, Kühlung, Balancing etc.).
Von Laien unbemerkt kamen im Modellbau etwa um die Jahrtausendwende gekapselte Differentiale in Mode, bei denen das Gehäuse mitdreht. Der vom Getriebe kommende Zahnriemen läuft auf dem Gehäuse des Differentials. Das hat den riesengroßen Vorteil, daß man extrem zähes Öl einfüllen kann, und es nicht zum Gegendrehen eines abhebenden Rades kommt. Damit sinkt die Belastung der Zahnräder des Differentials und die Gefahr eines Getriebe- oder Motorschadens. Auch hat das Differential damit bei Geradeausfahrt keinerlei Ölreibungsverlust.
Es kann sich also lohnen, den einen oder anderen aktiven Modellbauer in der Entwicklungsabteilung einzustellen (eigene Erfahrung).
11 Rückbau auf den Stand von 1980
Nach der Wende, um 1992 hatte das Modell keinen Wert mehr. Es war 12 Jahre alt und hatte den Charme eines 12 Jahre alten PKW. Die Technik war veraltet und seit Jahren nicht mehr wettkampftauglich. Es war uninteressant geworden, "Schnee von gestern", da es inzwischen Bausätze von Modellen mit Differential und Einzelradaufhängung (teuer) zu kaufen gab.
Zufällig wurde der zwölf Jahre alte Ferrari um 1992 aus seiner Kiste geholt. Zum Wegwerfen war er zu schade. Immerhin steckten etwa 750 Arbeitsstunden in ihm, ein Jahr lang hatte ich nichts anderes zu tun, als abends nach der Arbeit wenigstens ein einziges Teil fertig zu stellen. Und in der Funkfernsteuerung steckte mindestens derselbe Aufwand, zusammen genommen etwa zwei Jahre oder 1500 Arbeitstunden.
Bei einem Stundenlohn von nur 20 Euro kämen immerhin 30.000 Euro zusammen, würde man das Modell bei einem Enthusiasten nachbauen lassen. Ein Profi müßte dreimal soviel pro Stunde nehmen, wäre aber vielleicht etwas schneller fertig. Damit ist klar: Wir reden hier über einen ideell sechsstelligen Betrag.
Weil die Potis im Sender, wie auch in den Servos nicht mehr zuverlässig funktionierten, wurde 1992 bei Conrad ein neuer Sender, ein neuer Empfänger ein stärkerer Servoschutz (Bild 3-1) und neue, schnellere Servos bestellt. Eine neue Empfänger- Grundplatte wurde angefertigt, das Original verschwand im Müll.
Beim Rückbau auf den Stand von 1980 war später die originale Grundplatte für Servos, Empfänger, Akku und Ein/Aus-Schalter aus einem Millimeter starkem Alublech wieder neu zu bauen. Wie damals wurden mit der Laubsäge die Konturen der Laschen für die Servos ausgesägt, die Löcher gebohrt und die Laschen herausgebogen.
Der originale, selbstgelötete Schutz des Lenkservos aus Messing war noch vorhanden. Er wurde schon 2013 rückgebaut (Bild 5-2). Auch eine selbstgelötete Servostange sowie die dazu benutzten Lötösen waren noch vorhanden. Das diente als Vorlage für alle anderen Stangen. So wurden die tollen Plast-Kugelgelenke von 1992 entfernt und durch die ebenfalls längenjustierbaren, selbstgebauten ersetzt.
Sie bestehen aus einer langen Lötöse, auf die zwei M2-Muttern gelötet sind. Die Ruderstange wird in die M2-Muttern eingeschraubt, damit ist sie längenverstellbar. Die Lötöse selbst sitzt auf einer Messinghülse, die mit M2-Schraube, Unterlegscheibe und Mutter am Servoarm befestigt ist, siehe die Lenkung in Bild 11-3 und Bild 5-3. Damit ist das Modell jetzt wieder so, wie vor vierzig Jahren.
2014, bei einem Besuch in Wilfried Steckers Modellbauclub "Burning Wheels" in Blankenfelde [1] wurde mir klar, daß es ein Fehler war, den Ferrari 1992 auf neue Elektronik umzurüsten. Wettkampftauglich war er lange nicht mehr.
Bei Willi hing noch sein Double meiner alten Ferrari-Karosse an der Wand. Aber ohne Inhalt. Er besaß nichts mehr aus den 70er und 80er Jahren ("Watt sollte ick den alten Schrott aufheben?"). Ich begriff erst allmählich, daß es wohl keine Eigenbauten aus der Anfangszeit des RC-Automodellsports mehr gibt. Es war purer Zufall, daß das Modell die kritische Zeit - die ersten zehn Jahre - überdauert hatte.
Später gab es überhaupt keine wirklichen Eigenbauten mehr. Ab 1980 kam die Einzelradaufhängung mit Stoßdämpfern in Form von Plastspritzteilen auch in die DDR. Diese komplexen Plastteile baute niemand mehr mit Säge und Feile nach. An den Radaufhängungen hingen auch die standardisierten Radlager und Räder.
Den Motor mit Vergaser, Auspuff, Kupplung und Ritzel kaufte man nun. Dann kamen auch noch die Differerentiale hinzu und zum Schluß der Allradantrieb mit Doppeldifferential und Automatik-Zweigang-Getriebe. Die Liste der Kaufteile setzte sich immer weiter fort. Kaufen wurde alternativlos. Für Bastler gab es keine Motivation mehr, selber zu bauen.
Von Oldtimer-PKWs wissen wir, daß diese umso teurer sind, je geringer die Seriengröße eines Modells war und je älter sie sind. So erzielte ein Mercedes 300 SLR Coupé von 1956 im Jahr 2022 den Rekordpreis von 135 Millionen Euro. In Stuttgart sind davon nur zwei Prototypen gebaut worden [7].
So beschloß ich im November 2022, den Komplett- Rückbau zu versuchen. Dazu mußten zunächst alle Potis repariert werden, die Kontaktprobleme hatten. Ersatz war nicht zu beschaffen, aber zum Glück waren die Probleme lösbar. Nach teils mühevoller Öffnung zeigte sich, daß eine Reinigung und ein vorsichtiges Nachjustieren der Kontaktfedern ausreichte, um die Potentiometer wieder zur Funktion zu bringen.
Danach waren Sender und Empfänger zu reparieren, siehe dazu auch den Link zur selbstgebauten Funkfernsteuerung. Beide funktionierten kaum noch, es gab ständig Störungen (Servoflattern), die Stromafnahme war zu hoch. Es zeigte sich, daß drei verbaute Frolyt-Elkos (100 µF im weißen Plastgehäuse) merkwürdig aussahen. Nachdem sie gewechselt waren, funktionierte der Sender wieder. Auch Empfänger Nr.2 konnte damit zum Leben erweckt werden. Bei Empfänger Nr.1 gibt es Probleme. Der Mischer funktioniert, aber die ZF (Zwischenfrequuenz 455kHz) wird nicht verstärkt, obwohl die Arbeitspunkte aller drei ZF-Transistoren stimmen.
Einige Servo- Gestänge und Kleinmaterial fehlten. Deren Neubau war zum Glück unkompliziert. Wichtige Altteile waren wenigstens als Vorlage noch vorhanden. Auch die Servos wurden wieder mit den Original-Abziehbildern beklebt. Ralf Gieseler schickte freundlicherweise ein Foto eines wenig benutzten Originalservos (Bild rechts), damit wurden neue Abziehbilder gedruckt.
Bild 11-1: Vor dem Rückbau, Stand 1992, Foto von 2014. Der Servoschutz war schon 2013 rückgebaut worden. Man erkennt die Servos von 1992 und einen 2,4-GHz Mini-Empfänger (Baujahr um 2010 unter dem Kabelsalat). Bug- und Heckspoiler waren bereits erneuert worden.
Bild 11-2: Rückbau auf das Jahr 1980. Nur fünf Baugruppen waren gekauft: zwei Servos, der Motor, die Scheibenbremse und der Empfänger-Akku. Der Rest wurde gedreht, gefräst, gefeilt, gebogen, gesägt, geschnitten und gelötet.
Zu erkennen ist der liegende Motor mit Alu-Auspuff links und der Tank aus Messingblech rechts. Zum Glück war die alte 27-MHz-Antenne noch vorhanden und konnte wieder angeschraubt werden.
Auf die Servos wurde schon 1980 eine zusätzliche Alu-Befestigungsplatte montiert. Deren Plasthalterungen erwiesen sich als nicht renntauglich, die Befestigungsösen der Servos brachen schnell ab.
Bild 11-3: Rückbau auf das Jahr 1980. Austausch der Kugelgelenke gegen die damals aus Lötösen und M2-Muttern selbstgebauten Gelenke.
Bug- und Heckspoiler wurden bereits 2014 neu angefertigt. Die alten Wettkampfteile waren von diversen Karambolagen so verschlissen, daß eine Reparatur nicht mehr sinnvoll war. Auch die Moosgummi-Reifen wurden neu angefertigt, die alten waren steinhart geworden.
Nachdem die Servo-Potis repariert waren, funktionierte wieder alles. Der Empfänger-Akku ist neuzeitlich. Die damaligen Silberzellen (Knopfzellen mit 450 mAh) gibt es wohl nicht mehr. Auch würde ich sie nicht mehr einsetzen wollen, deren Kapazität war zu begrenzt.
Film 1: Anlassen des Motors auf der Transportkiste. Man braucht etwas Geduld, bis der Motor genug Kraftstoff bekommt (früher Methanol mit 20% Rizinusöl aus der Drogerie, heute "Orcan-Fuel" mit 16% Nitromethan).
Film 2: Der Urahn läuft wieder wie damals! Testlauf vom 22.10.2023 nach Rückbau auf den Stand von 1980. Aktion mit der reparierten, 43 Jahre alten Eigenbau-Funkfernsteuerung und den Original-Servos mit 1980 nachgerüsteter Elektronik. Die Hinterräder drehen wieder mit bis zu 6000 Umdrehungen pro Minute. Im Film nicht zu erkennen: Die Drehzahl der Räder alterniert jeweils zwischen Drehen und Stehen.
Eine Überraschung gab es beim Entfernen des Luftfilters. Eigentlich nur aus Routine blies ich durch. Es war kaum möglich. Das Rizinusöl hatte den Luftfilter (aus einem Nylonstrumpf) so verklebt, daß kaum noch Luft durchkam. Das Dumme daran: es war dem Luftfilter äußerlich nicht anzusehen.
Nun wurde klar, warum der Motor bei vereinzelten Vorführversuchen in den letzten Jahrzehnten so schlecht ansprang und kaum noch Leistung abgab. Meine Frau half mit einem breiten, sehr luftigen Geschenkband aus. Einer Vorführung des Originalzustandes sollte nichts mehr in Wege stehen.
Bild 11-4: Rückbau auf das Jahr 1980. Für den Luftfilter kam ein luftdurchlässiges Geschenkband zum Einsatz, welches hoffentlich ein erneutes Verkleben verhindert. Auch ein damaliger Ein-Aus-Schalter war noch vorhanden.
Ein spezielles Problem bereiteten Auspuff, Getriebegehäuse und Sendergehäuse. Deren Alulot wurde über die Jahre dunkel und spröde. Mit neuem Flußmittel und Lot läßt sich nichts mehr nachlöten. Sendergehäuse und Getriebegehäuse konnten mit silber-getöntem 5min-Epoxy verstärkt werden. Der Auspuff muß evtl. nachgebaut werden. Im Moment hält er noch zusammen.
Bild 11-5: Restauration fast abgeschlossen. Foto vom 22.10.2023.
Nach 43 Jahren wurde der Wagen am 18.10.2023 erstmals wieder gestartet - im Original, mit Eigenbau- Funkfernsteuerung und Rückbau auf den Stand von 1980. Dank neuem Luftfilter kann er wieder frei atmen. Der Motor jubelt wie damals wieder in höchsten Tönen.
Kupplungsglocke, Ritzel und Kugellager (Ø 4,00 mm) sind mit einer Schaftschraube verbunden. Hin und wieder löst sich diese Kombination. Sicherungsscheiben aller Art wurden schon früher ausprobiert - ohne Erfolg. Offenbar sind die Vibrationen in der Konstruktion sehr stark. Spätere Konstruktionen benutzen bis heute nur eine einseitig auf dem Motor gelagerte Kupplungsglocke.
Hier aber ist die Fliehkraftkupplung zweiseitig gelagert. Einmal auf der Motorwelle, zum andern im rechten Chassisblock. Eine vollständig präzise Ausrichtung der Flucht der Motorwelle wäre nur mit speziell zu bauenden Werkzeugen möglich.
Wichtigste Erkenntnis: In der Realität existieren weder ein rechter Winkel noch ein exaktes Maß. Jeder Winkel ist ungenau und jedes Winkelmaß besitzt eine Toleranz. Jede Linie wird zur Krummen, wenn sie über eine Kette von Toleranzen geht (Motorlinie hin zum Kugellager am Ritzel). Man konstruiere stets so, daß sich keine Toleranzketten bilden und aufschaukeln können: Nur konsequente Modulbauweise macht das möglich.
Was noch zu tun wäre, wäre eine komplette Demontage, auch der geklebten Teile: Alle Teile reinigen, polieren, verölte und zerkratzte Schrauben ersetzen etc. Bei den Schrauben aber scheiden sich die Geister: Damals wurde mit Schlitzschrauben gebaut, diese sind heute kaum noch zu bekommen.
Auch ist abzuwägen zwischen Authenzität und Ästhetik. Im Moment bin ich mir nicht sicher, welcher Weg der bessere wäre: Kann oder soll man alle Spuren der Geschichte des Rennsports entfernen? Ist es nicht Frevel, die originalen Schrauben gegen Nicht-Originale zu ersetzen?
Ein Blick auf den echten Ferrari 312T mit der Nummer 022 in [10] zeigt, daß man auch dort bemüht war, Spuren des Renngeschehens zu beseitigen. So berichtete Autor "Tim" in Text und Bild von der Restauration des F312T-022 von Nikki Lauda in Richard Griots Garage. Beeindruckend, wie das gesamte Auto komplett demontiert und dann wieder neu aufgebaut wurde. Allerdings kann sich der Einsatz dabei mehr als lohnen: Ein Original eines Weltmeisters dürfte Millionen kosten.
Letztlich entschied ich mich, das Modell soweit wie möglich komplett zu zerlegen, die Teile nur zu reinigen und Alu- und Stahlteile zu bürsten. Mit zwei verschieden großen Messingbürsten für Bohrmaschine und Dremel war das in wenigen Stunden getan. Große Kratzer verblieben allerdings. Die Zerlegung hatte den Vorteil, daß damit die verschiedenen Detailfotos gemacht werden konnten. Der Zusammenbau kostete zum Schluß mehrere Tage.
Der Wagen ist jetzt wieder so sauber wie er vor 44 Jahren war, bevor er das erste mal auf die Straße gestellt wurde. Mich schaudert, wenn ich daran denke, daß er wenigstens noch einmal für Filmaufnahmen auf die Straße muß. Aber das wird frühestens im Frühjahr 2024 sein.
Abschluß der Restaurierung war am 2.12.2023. Nun beginnt ein neues Kapitel: Die Suche nach einem Museum, einem geeigneten Auktionshaus oder einem Sammler, der sicherstellt, daß dieses historisch einzigartige Modell auch späteren Generationen erhalten bleibt.
[1] Wilfried Stecker im RC-Car Modellsportverein Blankenfelde, Natursportpark Jühnsdorfer Weg 55, 15827 Blankenfelde-Mahlow, Treff: Mittwochs ab 16.30 Uhr (Link)
[2] Wikipedia zum Unfall von Niki Lauda am 1. August 1976 auf dem Nürburgring (Link)
[3] Hildebrand, Siegfried: Feinmechanische Bauelemente. TU Dresden, Sektion 10 Elektroniktechnologie und Feinwerktechnik. Zweite Auflage, VEB Verlag Technik Berlin, 1971, 867 S.
[4] Heinz, Gerd: Zeichnungssatz, unvollständig (PDF)
[5] DMC-Reglement Verbrenner Glattbahn 2020 (Regeln), (Termine)
[6] Ausschnitt aus einem Wettkampf in der Verbrennerklasse VG8 vom April 2014 in Senftenberg, Start des Finales der VG8-KL2 (MP4, 10 MB) (1980 hieß diese Klasse RC-V2)
[7] Das teuerste Auto der Welt ist ein Mercedes. www.motorline.cc vom 20.5.2022 (Link)
[8] Wikipedia: Ferrari 312T (Link)
[9] Krause, Bernhard: Modellmotoren. VEB Verlag für Verkehrswesen (transpress) Berlin 1978. DDR, 4,80 M, 104 S.
[10] Twillard, Tim: "Unrivaled: Niki Lauda and the Ferrari 312T-022" (Link). Restoration of Lauda's Ferrari 312T-022 in Richard Griots Garage. Wed, Sep 18, 2013, Blog posted by Tim, download 2014-01-11. Error 404, page does not exist, Nov. 2023. Wayback-Machine (Internet-Archive): (Link), leider ohne Bilder.
[11] Wikipedia: Fahrwerk. Radsturz, Vorspur und Nachlauf. (Link)
[12] Heinz, G.: Driften eines damals WM-tauglichen VG10-Modells (mit Einzelradaufhängung, Allradantrieb, Doppeldifferential und 2-Gang Automatikgetriebe) in Berlin-Adlershof, 2014 (Link)
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PS
Besitzen Sie auch noch einen Oldtimer-Rennwagen von vor 1980? Wenn ja: Ich würde den Link gern mit aufnehmen!
Kommentare, Hinweise oder Tipps bitte an info@gheinz.de
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