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Damals war's. Geschichten
aus dem alten Berlin.

RC-V1 Modell-
Rennwagen

Gerd Heinz


Inhalt


Es waren andere Zeiten, als man ein funkferngesteuertes Modellauto noch nicht kaufen konnte. Wollte man Ende der Siebziger in der DDR einen Modell-Rennwagen haben, so mußte man ihn selber erdenken, konstruieren und bauen. Alles war unbekannt. Man konnte nicht einfach mal irgendwo Details "abkupfern". Es war kreative und auch harte Arbeit. Weil ich zufällig eine Karosseriezeichnung bekam, war mein Favorit ein Ferrari-Modell. Die Frage nach einem Elektroantrieb stellte sich damals nicht. Zu groß und zu schwer waren die Akkus, zu leistungsschwach die Elektromotoren. Wer also schnell unterwegs sein wollte, mußte einen Verbrenner bauen.

Während man in anderen Teilen der Republik (Chemnitz und Leipzig) schon weit voraus war und man mit teurem Material aus dem Westen (Servos, Einzelradaufhängung, Motoren, Vergaser, Fliehkraftkupplungen, Differentialen und Funkfernsteuerungen) die Spitze der DDR-Meisterschaft dominierte, waren die Berliner Modellbauer eher kreativ unterwegs. Hier entwickelte und baute jeder nach eigenem Gusto: ohne übertriebenen Ehrgeiz. Wir hatten Spaß daran, mit diesen Autos rumzukurven.

Man traf sich ab und an Mittwoch abends und manchmal auch Samstags im Modellbauclub des Reichsbahnausbesserungswerks (RAW) Schöneweide, gegenüber vom Betriebsbahnhof Schöneweide. Unter der Obhut von Rainer Quarg, der dort Meister der Lehrwerkstatt war, entstanden Drehteile, Frästeile oder Reifen. Man tauschte Erfahrungen aus.

Wettkämpfe fanden an den Wochenenden auf Parkplätzen oder großen Schulhöfen statt. Leider sind mir die Namen der Mitstreiter entfallen, einen aber traf ich zufällig wieder: Unser Mitstreiter Wilfried Stecker baute nach der Wende wieder einen Modellsportclub auf, diesmal im Natursportpark Blankenfelde [1]. Dort werden auch heute noch Rennen gefahren.

Natürlich funktionierte nicht jede Konstruktion so, wie sie sollte. So wurde zwischen den Rennen ständig umkonstruiert, umgebaut und repariert. Auch damals waren die Autos schon recht schnell unterwegs, bei Unfällen gab es meist beträchliche Schäden. Sobald man ein neues Auto fuhr, landete der Schrott vom vergangenen Jahr im Müll.

Ein besonderes Problem war die geringe Kraft der DDR-Servos. Mit der start-dp Anlage liefen die Motoren nur auf 3 Volt bei einer Batteriespannung von knapp 6 Volt. Gas und Bremse mußten extrem reibungsarm arbeiten. Auch die Akkus stellten ein Problem dar. Mit 450 mAh kam man nicht weit. Klemmten Gas oder Lenkung nur minimal, brach die Akkuspannung mitten im Rennen zusammen: manchmal mit katastrophalen Folgen.

In der Zeitschrift "Modellbau heute" fand man Bauanleitungen. Die aber waren naturgemäß von vorgestern. Kupplung, Vergaser, Bremse, Radaufhängung, Reifen, Resonanzauspuff oder Federung entwickelten sich rasend schnell weiter. So bauten wir noch Chemnitzer oder Leipziger Modelle mit starrer Geige nach, als die Autoren der Beiträge schon längst mit Einzelradaufhängung, Differential und Scheibenbremse doppelt so schnell unterwegs waren.


Wie ich zum Ferrari-Modell kam

Mein Schulfreund Manfred "Manne" Frankenfeld aus Berlin-Heinersdorf, Aidastr. 14, hatte eine nette Tante, man nannte sie Tante Flügge, aber es war wohl keine Tante, sondern eher eine Freundin des Hauses, mit der man damals aus Ostpreußen geflüchtet war. Leider war dieses Thema in DDR-Zeiten ein totales Tabu, als Jugendliche erfuhren wir kein Wort über diese grausame Zeit. 1977 brachte Tante Flügge für Manfred einen Plastmodell-Baukasten vom Ferrari 312T (Niki Lauda) aus dem Westen mit.

Niki kam damals in die Schlagzeilen, weil er beim letzten Grand-Prix-Lauf 1976 in Fuji (Japan) nach zwei Runden abbrach und den Wagen abstellte. Er führte in der WM-Wertung nur knapp und hätte diesen letzten Lauf durchstehen müssen, um wieder Weltmeister zu werden [2]. Er demonstrierte damit gegen die lebensgefährlichen Rennbedingungen. Bei strömendem Regen und Nebel war der Start immer wieder verschoben worden, gegen abend wurde dann doch gestartet.

Durch Regen und Nebel bedingt war die Sicht null - lebensgefährlich bei Tempo 300. Der Fahrer saß mitten zwischen den 100-Liter Tanks und die Fahrzeuge entwickelten von Jahr zu Jahr mehr Leistung. Damals starben in jedem Jahr Rennfahrer. Auch hatte Niki erst kurz zuvor am 1. August 1976 auf dem Nürburgring seinen schlimmen Unfall, bei dem er fast verbrannt wäre und von dem er lebenslang gezeichnet blieb. Niki hatte damit zwar auf den WM-Titel verzichtet, aber moralisch war er für die Medien, wie für uns Jugendliche zum Vorbild geworden.

Der Plast-Bausatz des Ferrari hatte etwa 65 DM (Westmark) gekostet - bei einem Tauschkurs von 1:4 bis 1:5 für DDR-Verhältnisse viel Geld, man verdiente i.a. unter 1000 DDR-Mark. Niemand von uns hatte vorher einen Formel-1 Rennwagen im Detail gesehen. Westfernsehen war kaum möglich, wenn der Vater SED-Genosse war. Zeitungen oder Zeitschriften aus dem Westen gab es schon gar nicht in der DDR. Manne baute das Modell auf. Es stand bei seinen Eltern. Er wurde Berufsoffizier auf dem Flugplatz Peenemünde. Die Frankenfelds blickten auf eine lange, ostpreußische Militärtradition zurück, die er fortsetzen wollte.

Am 24. Juni 1979, morgens gegen vier Uhr, auf dem Weg von Wolgast zur Kaserne in Peenemünde schlief Manfred auf seinem nagelneuen Motorrad MZ-TS250/1 wahrscheinlich ein. Auf menschenleerer Straße krachte er in Bannemin gegen einen Laternenmast und verstarb noch vor Ort. Es war sein erster Urlaubstag und er war frisch verlobt. Er wollte nur noch "seine Jungs" in der Kaserne um 6 Uhr wecken und sich in den Urlaub verabschieden, er war Oberleutnant auf dem Flugplatz Peenemünde und Chef der Wartungsmechaniker der dort stationierten MIGs.

Diese Seite ist seinem Gedenken gewidmet.


Die Karosserie

Manfred hatte mir den Bauplan des Ferrari-Plastmodells gegeben. Ich rechnete den Maßstab von 1:23 auf 1:8 um und fertigte Zeichnungen der abgerollten Bleche an. Der Rennwagen sollte später in der Klasse RC-V1 fahren. Aber davon wußte ich noch nichts.

Die Idee, so einen Wagen zu konstruieren, faszinierte mich damals. Obwohl mbh-Leser ("Modellbau heute"), hatte ich einen Bauplan eines Modellrennwagens noch nicht gesehen. Dadurch passierten gravierende Fehler. So liefen die Vorderräder verkehrt herum, der Wagen war instabil. Zum Glück konnte der Träger umgedreht werden. Auch war die Konstruktion im Vergleich zu denen meiner späteren Clubkameraden kompliziert und wartungsunfreundlich.

Im November 1978 - ich war drei Tage wegen Grippe krankgeschrieben - wurde ein erstes Modell konstruiert. Als Motor sollte der Selbstzünder "Jena" mit Drosselvergaser hinein kommen. Den hatte ich noch aus der Schulzeit, damals flogen damit Fesselflugzeuge. Der DDR-Motor "Moskito" mit Drosselvergaser war wahrscheinlich zunächst nicht beschaffbar.

Eine Dienstreise nach Prag brachte die Chance, einen Glühzünder von MVVS zu besorgen. Das war fast wie ein Hauptgewinn im Lotto: Er bot nämlich nicht nur hervorragende Kennwerte, auch hatte er einen Auspuff nach hinten. Damit löste sich das Platzproblem: Der Schalldämpfer kam an die linke Seite. Allerdings hatte der MVVS noch keinen Drosselvergaser.

Die Karosserie des Ferrari 312T wurde aus 0,3 mm dickem Alublech zusammengelötet (in Dresden gab es damals Alulot und Alu-Flußmittel). Der Vorteil vom dünnem Alublech war, daß man es mit der Schere schneiden konnte. Auch konnte man die Kanten bördeln oder an kritischen Stellen dengeln.

Im Verhältnis zu Kupfer-, Messing- oder Eisenblech ist Aluminium viel leichter. Alternativ hätte man die Ur-Karosse aus Papier oder Pappe zusammenkleben können, aber Alublech erschien mir geeigneter.

Der Klubkamerad vom RC-Club im RAW Schöneweide, Wilfried Stecker [1], zog die Karosse zweimal aus Glasfaser mit Polyesterharz ab, er war unser Spezialist in dieser Disziplin. Beim Entfernen aus der Form wurde die leichte und detaillierte Originalkarosserie aus Aluminiumblech zerstört. Auch er fuhr dann mit der von ihm abgezogenen Karosserie. Leider gibt es nicht einmal ein Foto der originalen Alukarosse. Man konnte damals nicht einfach eine Lexan-Karosse kaufen, weder im Westen (BRD), noch in der DDR.

Die Originalkarosse war besonders vorn vom Renngeschehen mit Rissen, Ausbrüchen und Kratzern arg gezeichnet, sie sah nicht mehr schön aus. So erfolgte 2013/14 eine Restaurierung und Neulackierung nahe am Vorbild. Der seit 30 Jahren in einer Kiste liegende Lufteinlaß-Hutzen wurde bei dieser Gelegenheit aufgesetzt. Abziehbilder wurden mit dem Farblaserdrucker gedruckt.

Den Abschluß bildete eine Lackierung mit Klarlack. Die beschädigten Spoiler wurden erneuert, neue Reifen ließ ich aus 20 mm Mossgummiplatten mit Wasserstrahl schneiden, die alten Reifen waren steinhart geworden. Der MVVS-Originalmotor wurde gegen den nagelneuen Reservemotor ausgetauscht, der 30 Jahre lang in einer Kiste geschlummert hatte. Die Pleuelbuchsen des originalen Motors hatten sich etwas geweitet.

Zum Bild 4: Bis 1975 fuhr Lauda mit Lufthutzen, 1976 war der Hutzen aus dem Reglement verbannt. Später kam er wieder. Das erklärt, warum es im Internet Bilder von Laudas Ferrari mit und ohne Lufthutzen gibt.


Das Chassis

Parallel zur Karosserie entstand das Fahrgestell. Alleinstellungsmerkmal war ein liegender Motor. Ich hätte es nicht ertragen, wenn das Heck von einem überdimensionalen Zylinderkopf mit Kühlkörper verunstaltet worden wäre. Nun hat ja so ein Extremkühlkopf eine Aufgabe. Er muß viel Wärme abführen.

Wie aber führt man die Wärme ab, wenn der Motor mitten im Modell liegt? Bei Maximalleistung des Motors von immerhin 700 Watt und einem Wirkungsgrad von vielleicht 25% wären immerhin etwa 2,1 kW abzuführen? Nur zum Vergleich: Mein Lötkolben hat 25 Watt. Nun, einerseits werden Modell-Methanolmotoren durch Kraftstoffüberschuß auch von innen gekühlt. Auch wird die maximale Leistung nur beim Beschleunigen kurzzeitig abgerufen. Dennoch darf der Motor nicht überhitzen.

Die Lösung war eigentlich einfach. Aus einem Alu-Kühlkörper einer Senderröhre wurde ein spezieller Kühlkopf gedreht, der unten flach im Alu-Chassis aufliegt und der von vorn mit Luft durchströmt wird. Das Chassis dient zusätzlich als Kühlkörper. Und es funktioniert. Mit diesem Teil der Konstruktion gab es nie Probleme. Wohl aber mit dem daraus resultierenden Zusatzgewicht im Heck. Der Wagen brach hinten recht schnell aus, wenn er übersteuert wurde.

Der MVVS-Motor wurde mit einem Moskito-Vergaser bestückt. Der Luftfilter entstand aus einem mittels Lötkolben umgeschweißten PE-Fläschchen mit vielen Löchern, über das ein zusammengenähter Damenstrumpf (blau) gestülpt wurde.

Felgen, Kupplung, Konusbremsen, Freiläufe und Hinterrad-Welle wurden gedreht, zwei Sätze Zahnräder wurden nach [3] S.517 berechnet auf gleichen Wellenabstand von 76,2 mm mit Modul 0,6. Es ergaben sich die Zahnradpaarungen 22+105 = 127 bzw. 17+110 = 127 für die Untersetzungen 105/22 = 4,77 bzw. 110/17 = 6,47. Um Sand und Steinchen fernzuhalten, ist das Getriebe gekapselt. Ein "Frischöl"-Schlauch führt aus dem Auspuff-Sumpf ins Getriebe, siehe Bild 13. Der zweite Schlauch geht an den Drucktankanschluß des Tanks. Für Bild 5 wurde die obere Getriebeabdeckung abgenommen.

Ein Problem entstand bei der konischen Einpassung des Ritzels in die Kupplungsglocke, wie auch bei der konischen Einpassung des Schwungrades auf der Motorwelle. Aufgrund von stark variierenden Temperaturen lösten sich diese Passungen ab und an, was nur mit Demontage des gesamten Motorträgers mit einem Zeitaufwand von mehr als einer Stunde zu korrigieren ist.

Interessant an der Zahnradberechnung, wie an allen Maßstabsumrechnungen: Man hatte damals noch keinen Taschenrechner. Man rechnete Multiplikation und Division mit einem Rechenschieber auf zwei bis drei Dezimalstellen genau. Die Kommastelle hatte man im Kopf zu behalten. Additionen und Subtraktionen erfolgten schriftlich.

Komplizierte Teile wurden im Musterbau des INT gedreht, gesägt oder gebohrt. Auch die Zahnräder wurden dort gedreht und gefräst. Jeder Besuch kostete zwar mindestens ein Päckchen Kaffee oder eine Flasche Goldbrand, auch hatte man meist ein bis zwei Wochen zu warten, bis der Kollege mal Zeit fand, das aber war zu verkraften.

So wurden die Felgen und die hinteren Wellenlager und die komplizierte Motorhalterung aus einer gebogenen Aluminiumplatte (6 mm dick) dort gefertigt. Da ich dem Mechaniker exakte Zeichnungen übergab, paßte auch alles.

Im Nachgang betrachtet, hätte man die Konstruktion einfacher machen sollen. Aber hinterher weiß man es besser. Scans verbliebener Zeichnungen finden sich in [4]. Erstaunlich ist, daß bis heute (2021) kein Modellmotor-Hersteller einen liegenden Motor anbietet, der einfach auf die Alu-Grundplatte des Chassis geschraubt werden kann und durch diese gekühlt wird.


Das Pseudo-Differential

Nun konnte man damals kein Differentialgetriebe für den Antrieb kaufen. Eigenbau war zu aufwendig. Auch war eine Teilung der Antriebswelle nicht wirklich machbar. Was also tun? Die Hinterräder erhielten auf jeder Seite einen Freilauf. Er bestand aus in den Hinterrädern liegenden Freilaufkupplungen mit sich verklemmenden Wälzkörpern [3] S.743, Bild 3.713 d). Somit konnte das schnellere Rad, in Kurven das äußere, auskuppeln und frei vorwärts drehen.

Damit entstand aber ein weiteres Problem: Nun mußten beide Hinterräder einzeln gebremst werden. Es entstand die Idee, die Felgen auf der Innenseite konusförmig zu gestalten. Bewegliche, konische Bremsklötze drückten beim Bremsen von innen in die Felgen. Die Berechnung des Konus-Winkels erfolgte mit dem Hildebrand [3]. Wird der Winkel zu steil, fehlt die Bremskraft, ist er zu flach, verklemmen die Bremsbacken. Aber alles schien gut zu gehen.

Die Konusbremsen funktionierten im Stand oder bei niedrigen Drehzahlen hervorragend. Aber sie versagten, wenn sie gebraucht wurden, nämlich genau dann, wenn die Hinterräder sehr schnell drehten. Offenbar sorgten Radvibrationen dafür, daß die Bremsen dann nicht mehr griffen.

Nach einigen Versuchen wurden die Freiläufe und die Konusbremsen aus den Hinterrädern entfernt und durch eine klassische Schlingfederbremse auf der Kupplung ersetzt. Damit entfiel das Pseudodifferential.

Anschließend fuhr der Wagen wie die meisten anderen damals mit sog. "starrer Geige", d.h. mit fest an die Welle angeschraubten Hinterrädern. Damit wurde das Fahrverhalten in engen Kurven zwar wacklig, aber wenigstens konnte man jetzt ordentlich bremsen. Bei der DDR-Meisterschaft 1982 kam dann schließlich eine Scheibenbremse zum Einsatz. Sie bot ein ausgewogeneres Bremsverhalten mit einem Maximum an Bremskraft.


Die Lenkgeometrie

1989, in der Wendezeit, bekam ich einen gebrauchten VW-Passat. Schlug man die Lenkung maximal ein, dann knirschte bei Kurvenfahrt der Sand unter den Vorderrädern. Eine Messung zeigte: Die Vorderräder schlugen parallel ein. Aufgrund sehr beengter Platzverhältnisse konnte das innenlaufende Vorderrad nicht stärker einschlagen als das Äußere.

Ein Blick auf die Konstruktionszeichnung Bild 2a zeigt eine Lenkungsausführung dieser Art. Schnell bemerkte man das Problem mit der Parallelführung beim Fahren um enge Kurven. Auch waren die Vorderräder im Bild 2a verkehrt herum eingezeichnet, sie laufen vor und nicht nach.

Wenn ein Wagen um eine Kurve fährt, so muß das innere Vorderrad stärker einschlagen, als das äußere. Vorder- und Hinterräder rollen nicht etwa hintereinander, alle vier Räder rollen in jeweils einem anderen Radius um die Kurve. Die Drehzahlen der Räder richten sich nach diesem Radius. Alle vier Räder rollen folglich mit verschiedener Drehzahl durch die Kurve. Bei einer Linkskurve dreht zB. das rechte Vorderrad am schnellsten, das linke Hinterrad am langsamsten.

Um eine Vorstellung davon zu erlangen, zeichne man den Kurvendrehpunkt auf ein Blatt Papier. Die Achsen aller vier Räder müssen dann durch diesen Drehpunkt gehen.

Schon damals gab es eine Standardlösung für dieses Problem, die Ackermann-Lenkung oder Achsschenkellenkung. Leider war diese Lösung nicht machbar, nur eine Fertigung der Lenkschemel aus Spritzguß macht so etwas sinnvoll möglich. Die Lenkschemel konnte ich nur aus einer 8 Millimeter dicken Aluplatte fertigen, siehe Zeichnungen, Blatt 8/12. Bei dieser aber ist das Lenktrapez kaum verkürzt, es ergäbe sich zwangsläufig eine Parallelführung der Spurstange mit parallellaufenden Vorderrädern.

Abstrahiert man das Problem, so kann man aber auch bei einer Parallelführung dafür sorgen, daß sich die Spurstange beim Einschlagen der Lenkung verkürzt. Letztlich wurde dafür ein Servo-Schutz (neudeutsch Servo-Saver) mit Verkürzung gebaut und eingesetzt, siehe Bild.

Hierbei werden die zu den Rädern führenden Spurstangen im definierten Abstand voneinander angelenkt. Die geometrische Verkürzung bei Lenkausschlag übernimmt damit der Servoschutz.

Vor Entwicklung und Einbau des Servoschutzes übernahm das mittig eingebaute Servo selbst diese Aufgabe, indem beide Spurstangen von diesem in gleicher Art wie beim Servoschutz angelenkt wurden. Die Spurstangen selbst waren im Original aus Fahrradspeichen gefertigt. Da bei irgendwelchen Berührungen meist zuerst die Vorderräder getroffen werden, erschien der Einbau eines Servoschutzes unabdingbar.

Im Original waren an die Ruderstangen Kabelschuhe angelötet, die auf über die Schrauben gesteckten Hohlnieten aus Messing liefen. Zwischen die Achsschenkel wurde eine Feder gespannt. Diese links zu erkennende Feder sorgte für Spielfreiheit der Achslager - wichtig für präzises Lenkverhalten bei hoher Geschwindigkeit. Die Feder wird bei Lenkeinschlag kaum gedehnt. In der roten Hülse läuft die Stange des Ein- Ausschalters der Fernsteuerung.


Der liegende Motor

Hatte ihr Motorrad oder Auto schon mal ein blockiertes Getriebe? Ich hatte das Problem 1975 am Balaton. Mit Mühe konnte bei meiner MZ TS250 der dritte Gang eingelegt werden. Nach Hause ging es über 1000 Kilometer nur im dritten Gang. Ein Albtraum, besonders im Stau bergauf.

Für den Ferrari aber war die Konstruktion eines Getriebes mit mehreren Gängen unmöglich. Um aber nur mit einem Gang fahren zu können, muß der Motor extrem elastisch sein, insbesondere muß er höchste Drehzahlen verkraften.

Der MVVS-Motor wurde gewählt, weil er einen sehr leichten Kolben hatte. Er kam eigentlich aus der Weltrekordjagd im Fessel-Geschwindigkeitsflug und konnte hoch überdrehen. Drehzahlen über 26.000 U/min waren möglich. Dasselbe Geräusch wie damals ist auch heute noch ab und an bei Wettkämpfen zu hören, siehe ein Wettkampfvideo unter [6].

Allerdings konnten wir damals von heutigen Rundenzeiten nur träumen. Da man ständig mit Zeitmangel, unzureichendem Material und mit den Tücken der eigenen Konstruktionen zu kämpfen hatte, fehlte die Zeit für das Training. Wir hatten nicht nur schlechteres Material, sondern waren im Vergleich zu heute wohl auch die viel schlechteren Fahrer.

Wenn man sich das Video [6] ansieht, bekommt man eine Ahnung, wieviel Training und wieviele "zerschossene" Modelle erforderlich sind, um den heutigen Leistungsstand zu erreichen. Bei der Formel-1 rollt man um die Kurven. Hier aber fahren die Erstplazierten driftend, wie auf Glatteis, um die Kurven. Und das trotz viel höherer Haftreibung. Formel-1 Fahrer haben wahrscheinlich noch Reserven, um dieses Leistungsniveau irgendwann erreichen zu können.

In Bild 5 erkennt man den liegenden Motor mit liegendem Kühlkopf. Der MVVS-Motor wurde mit einem Moskito-Vergaser bestückt. Der Luftfilter entstand aus einem mittels Lötkolben umgeschweißten PE-Fläschchen mit vielen Löchern, über die ein zusammengenähter Nylonstrumpf als Filter gezogen wurde.

Zwei dienstliche Besuche bei Tesla in Prag wurden genutzt, um im Modellbauladen MODELAR, Źitná 39, 11000 Praha 1 den Motor und zwei Jahre später noch einen Reservemotor im Dúm techniky mládeźe, Národni tř. 28/60, 11000 Praha 1 (Rechnungsbeleg Nr.1 über 465,- Kronen) zu kaufen. Die Einfuhr in die DDR war nicht gestattet. Man schwitzte bei der Grenzkontrolle.

Vom DDR-Motor "Moskito" gab es den Drosselvergaser als Ersatzteil von VEB Prefo Dresden, Werk III Modellbahnzubehör, 8245 Glashütte/Sachsen über den Händler Permot (Modelleisenbahnen und Zubehör) HSL-Nr. 5468220 Art.-Nr. 39903253 für EVP 13,70 Mark. Ein Moskito-Vergaser in Originalverpackung ist noch vorhanden, siehe Bild 7b. Zum Vergaser gehörte etwas, was heute nicht mehr bekannt ist: eine Auspuffdrossel (links oben), die aber nur beim Moskito-Motor verwendet werden konnte. Mit Auspuffdrossel lief dieser Motor völlig ohne Schalldämpfer - heute wegen des Lärms undenkbar.

Der Moskito-Vergaser hatte nicht die passende Bohrung für den MVVS-Motor, auch reichte der Platz nicht ganz aus, er mußte in einem steilerem Winkel in den Motor eingesetzt werden. Der Einlaß wurde aufwendig umgefeilt und der Vergaser wurde mit Epoxydharz EP11 eingeklebt. Erstaunlicherweise hält die Verbindung bis heute.


Besonderheiten der Konstruktion

Wie schon dargestellt, ist die Einbauart des Motors wahrscheinlich einzigartig. Er liegt im Chassis. Die Kühlung schien damit problematischer, aber es brachte auch Vorteile mit sich. Da man mit dem Kerzenstecker schlecht von vorn an die Kerze kommt, erhielt die Kerze einen Dauerstecker. Ein Kabel lief zur Buchse im Heck.

Auch die Düsennadel des Vergasers und der Tankverschluß waren von außen zugänglich, ohne die Karosse abnehmen zu müssen, siehe Bild 5. Die Düsennadel wurde über ein Stück Kautschukschlauch und ein Alu-Röhrchen nach oben verlängert, sodaß man das Methanol/Luft-Gemisch von oben nachregulieren konnte. Grundeinstellung der Düse ist 1 1/4 auf. Ein Zettel in der Startbox beschreibt die Prozedur des Anlassens:

Die von oben verstellbare Düsennadel der Hauptdüse des Vergasers bot den Vorteil, daß man während eines Rennens die Einstellung der Hauptdüse blitzschnell korrigieren konnte, falls der Motor je nach Wetter und Strecke zu fett oder zu trocken lief.

Falls der Motor bei einem Ausrutscher ausging, konnte wieder gestartet werden, ohne die Karosse abnehmen zu müssen. Nicht zuletzt ist die Karosse vorn nur eingehakt, hinten wird sie von einer Haltefeder fixiert, man kann sie innerhalb von einer Sekunde abnehmen. Häßlich große Löcher für den Tankverschluß und für den Kerzenstecker waren nicht erforderlich. Leider vermißt man solche Details auch bei heutigen Wettbewerbsmodellen noch immer.

Auch ein bis heute unbekanntes Novum: Das Getriebe war gekapselt und mit einer Art von Frischöl-Automatik versehen. Das im Auspuff sich unten sammelnde Öl wurde ins Getriebe geleitet. Insofern war die Konstruktion recht robust. Die Zahnräder sehen auch heute noch wie neu aus.

Die Lackierung ließ damals Wünsche offen. Rotes Lackspray gab es 1979 in der DDR noch nicht, selbst Ferrari-roter Lack war nicht aufzutreiben. So blieb es bei weißem PUR-Lack mit ein paar handgemalten Verzierungen und irgendwelchen Abziehbildern. Der PUR-Lack wurde mit einer speziellen Haarspray-Dose aufgebracht, in die mittig unten ein Autoventil eingeklebt wurde. Darüber konnte die Dose mit Lack befüllt und anschließend mit einer Luftpumpe unter Druck gesetzt werden.

Dieser Zweikomponenten-Polyurethan-Lack ("PUR-Lack") war damals in fast jedem DDR-Haushalt zu finden, um Holzfenster, Türen und Türrahmen in den Altbauten zu streichen. Der Lack hatte eine extrem harte Hochglanzoberfläche, er war bedeutend härter als Alkydharz-Lack. Gleichzeitig war er vollkommen wasserundurchlässig.

Aber einmal durch feinste Risse ins Holz eingedrungenes Wasser konnte nicht mehr verdunsten, auf Fenster aufgebracht, beschleunigte er den inneren Verrottungsprozeß der Holzfenster von DDR-Altbauten ungemein zusätzlich.

Die Fahrerfigur war ursprünglich aus einer in heißem Wasser härtenden Knetmasse modelliert worden. Da sie zu viele Brüche aufwies, wurde sie bei der Restaurierung mit Glasfaser und Polyesterharz abgeformt.


Die Daten zusammengefaßt

  • Liegender Motor MVVS 2,5 GF; 2,5 cm³; 26000 U/min; 0,5 (0,7) kW (~ 1 PS)
  • Drosselvergaser vom DDR-Motor "Moskito"
  • Zylinderkopf wird zusätzlich durch das Chassis gekühlt
  • seitlich rechts angebrachter Tank
  • seitlich links angebrachter Schalldämpfer
  • Alufelgen mit selbstgedrehten Moosgummireifen vorn und hinten
  • Fliehkraftkupplung mit zwei Backen, Eigenbau
  • gekapseltes Getriebe mit "Frischölautomatik"
  • wechselbarer Zahnradsatz mit Untersetzungen 1:4,8 bzw. 1:6,5
  • Geschwindigkeit bei Nenndrehzahl des Motors 86 km/h bzw. 63 km/h
  • Starre Hinterradwelle 8 mm CrVd ungefedert
  • Vorderräder gefedert mit Servoschutz in mehreren Varianten
  • Pseudodifferential hinten durch Freilauf in den Rädern
  • Bremse 1: Einzelrad-Konusbremsen hinten - Bremskegel drücken in Hinterräder - tolle Wirkung im Stand, schwache Wirkung bei hoher Drehzahl - Radvibrationen drücken Bremskegel aus dem Radkonus heraus
  • Bremse 2: Schlingfederbremse um Kupplung herumgelegt (damals klassischer Aufbau) Pseudodifferential entfernt, Rückbau auf starre Geige, 1980/1981 erfolgreich gefahren
  • Bremse 3: Umbau auf Scheibenbremse für DDR-Meisterschaft 1982
  • Nach Feierabend wurde schon vorher die Funkfernsteuerung gebaut: Allein damit verging ein Jahr (1977 bis 1978), siehe die Seite zur Funkfernsteuerung. Der Wagen war vielleicht der einzige, der je mit einer Eigenbau-Funkfernsteuerung fuhr.


    Zum Renngeschehen

    Damals wie heute fuhr man Rennen mit einem maximal erlaubten Tankinhalt von 125 ml (Milliliter). Vorläufe gingen über 5 Minuten, Finalläufe über 20 bis 30 Minuten. Bei der DDR-Meisterschaft hatte jeder Teilnehmer das Recht, an drei Vorläufen teilzunehmen. Man hielt sich an das europäische ERFA-Reglement.

    Der Tankinhalt reichte etwa für 15 bis 20 Minuten, das hieß, man mußte im Finallauf meist nachtanken. Dazu war anzuhalten und wieder anzufahren. Mit dem schnellen Anfahren hatte der Ferrari Schwierigkeiten.

    Ursache war eine etwas überdimensionierte Glocke der Fliehkraftkupplung. Einerseits ist die Schwungmasse etwas groß, damit kommt der Motor zu langsam auf Touren. Auch mußte man behutsam Gas geben, damit er sich nicht "verstottert".

    Die etwas zu groß dimensionierte Kupplung neigte dazu, etwas zu hart einzukuppeln, was zum Abwürgen des Motors führen konnte. Um dem vorzubeugen, wurden die Kupplungsbacken mehrmals verkleinert, die Federn wurden immer härter gestaltet. Es half nicht wirklich, eine kleinere Kupplung hätte konstruiert und eingebaut werden müssen.

    Mit diesem Problem gestalteten sich fast alle Berliner Rennen 1980/81 ähnlich. Am Start war der Ferrari meist letzter - weil das Einkuppeln sanft und mit Vorsicht vorzunehmen war. Wenn der Wagen aber rollt, kuppelte man nicht mehr, außer, man hatte einen Ausrutscher und flog von der Piste. Und wenn man hinten war, fuhr man gemütlich hinterher, immer bemüht, den Motor auf Drehzahl zu halten.

    Während sich die vorn liegenden gegenseitig nervös machten und ins Abseits schubsten, holte man Runde für Runde auf. Da jeder Rausschubser oft mehr als eine Runde kostet, lag man zum Schluß vorn - mit den meisten Runden meist ganz vorn. Und keiner der Anfangs vorn liegenden hatte es bemerkt.

    Somit bot die etwas zu groß dimensionierte Kupplung nicht nur Nachteile. Schlicht lernte man dadurch, den direkten Zweikampf zu meiden, weil dabei das Risiko "abzufliegen" und Runden einzubüßen meist höher war als der mögliche Nutzen.

    Ich fuhr mit dem Modell zwei Jahre 1980 und 1981 in (Ost-) Berlin RC-V1-Rennen und war hier in Berlin recht erfolgreich. 1982 war ich für Berlin zur 8. DDR-Meisterschaft im Automodellsport delegiert (vom 1.-4. Juli 1982 in Görlitz, Klasse RC-V). Dort fuhren bereits erste Rennwagen mit Einzelradaufhängung und Differential (West-Bausatz ab 900,- DM aufwärts). Und mit Servos aus dem Westen: Die waren schneller als die bei uns erhältlichen "Servomatik S15". Vor allem aber hatten sie eine geringere Untersetzung, sodaß man sie auch passiv bewegen konnte.

    Dummerweise hatte ich bei der DDR-Meisterschaft im Training vor dem offiziellen Training einen Ausrutscher, bei dem die Hinterradwelle, sie bestand aus 8 mm dickem Chrom-Vanadium-Stahl (Werkzeugstahl), minimal verbogen wurde. Um sie zu richten, standen Autowerkzeuge, Rohre, große Steine und Holzklötze zur Verfügung. Es klappte nicht wirklich. Der Wagen fing bei höheren Geschwindigkeiten an zu flattern, man konnte nicht Gas geben. Auch bereiteten einige, sehr hohe (1 cm) Teerfugen große Probleme. Die Konkurrenz hatte bereits Einzelradaufhängung und heizte darüber hinweg. Mit der starren Geige mußte man abbremsen.

    Ich schaffte nicht einmal die Qualifikation für das Finale. Um vorn mitfahren zu können, hätte ich neu bauen müssen - mit Einzelradaufhängung, West-Servos und Differential. Das war ohne Westgeld und ohne Beziehungen aussichtslos.

    Ich entschied mich, den Modellsport an den Nagel zu hängen und zu promovieren. Der Ferrari schlummerte Jahrzehnte in seiner speziellen Transportkiste. So blieb er als eines der ganz seltenen Unikate aus dieser fernen Zeit des Eigenbaus von Modell-Rennwagen erhalten. Irgendeine Eingebung hat mich immer wieder daran gehindert, den "Schrott von damals" einfach wegzuwerfen. Und nun, als Rentner, entdeckte ich ihn wieder.

    Leider waren die Potentiometer der Servos und des Senders nach zwei Jahren Wettkampfbetrieb und mehreren Vorführungen in den 80-er Jahren verschlissen. Und für die Servos gab es keine passenden Ersatz-Potis. Nach der Wende - nun hatten wir Westgeld - baute ich eine gekaufte Funkfernsteuerung und schnelle, starke Servos ein.


    Die Namen zu erkennender Mitstreiter sind mir leider entfallen. Auch der Ort des Geschehens ist in Vergessenheit geraten. Wenn jemand helfen kann: Danke im voraus!

    RC-V1 heute

    Damals gab es in der DDR nur zwei Wettkampfklassen, beide im Maßstab 1:8. In der RC-V1 (für Radio-Controlled, Verbrenner 1) waren Modelle von Formel-1 Rennwagen mit freiliegenden Rädern am Start. In der anderen, der RC-V2, war die Karosse über den Rädern geschlossen. Achsabstand, Länge, Breite, Höhe, Tankinhalt und Hubraum waren limitiert. Das war es auch schon!

    Heute heißt die entsprechende Klasse VG8. Ein Blick in die DMC-Bestimmungen [5] verrät, daß der Ferrari heute nicht mehr mitfahren dürfte. Gewicht und Abmessungen passen zwar, aber heute sind nur noch "homologisierte" Karossen, Motoren und Schalldämpfer erlaubt. Auch würden sich die Einheitsreifen nicht montieren lassen. In den DMC-Bestimmungen heißt es:

    "Es dürfen nur Karosserien verwendet werden, die in den Karosserie-Listen von EFRA, ROAR oder FEMCA geführt werden. ... Die entsprechende EFRA-Nummer muß eingeprägt sein." Und an anderer Stelle: "Es dürfen nur EFRA-homologierte Auspuffrohre verwendet werden..." Und so weiter. Der Kommerz läßt grüßen?

    Mit anderen Worten: Nur gekaufte Karosserien, Reifen und Schalldämpfer mit eingeprägter EFRA-Nummer sind zulässig: Für mich klingt das nicht überzeugend, wenn man vorgibt, die Kreativität und die handwerklichen Fähigkeiten von Jugendlichen fördern zu wollen. Hat man Angst vor Innovationen? Warum eigentlich?


    Rückbau auf den Stand von 1980

    Nach der Wende, um 1992, wurde der zehn Jahre alte Ferrari wieder mal aus seiner Kiste geholt. Zum Wegwerfen war er zu schade. Weil die Potis im Sender, wie auch die Servos nicht mehr zuverlässig funktionierten, wurden bei Conrad ein neuer Sender, ein neuer Empfänger und neue, schnellere Servos bestellt. Die Servoplatte mußte neu angefertigt werden.

    1992 hatte das Modell keinen Wert mehr. Es war 12 Jahre alt und hatte den Charme eines 12 Jahre alten PKW. Es war "Schnee von gestern". Die Technik war veraltet und seit Jahren nicht mehr wettkampftauglich.

    Vor einigen Jahren, bei einem Besuch in Wilfried Steckers Modellbauclub "Burning Wheels" in Blankenfelde [1] wurde mir klar, daß es ein Fehler war, den Ferrari nach der Wende zu modernisieren.

    Bei Willi hing noch sein Double meiner alten Ferrari-Karosse an der Wand. Aber ohne Inhalt. Er besaß nichts mehr aus den 70er und 80er Jahren ("Wat sollte ick den alten Schrott aufheben?"). Ich begriff erst allmählich, daß es wohl kaum noch Eigenbauten (aus der Anfangszeit des RC-Automodellsports) gibt.

    Später gab es keine wirklichen Prototypen als Eigenbauten mehr. Ab 1980 kam die Einzelradaufhängung mit Stoßdämpfern in Form von Plastspritzteilen auch in die DDR. Diese komplexen Plastteile baute niemand mehr mit Säge und Feile nach. An den Radaufhängungen hingen auch die standardisierten Radlager und Räder. Den Motor mit Vergaser, Auspuff, Kupplung und Ritzel kaufte man nun. Dann kamen auch noch die Differerentiale hinzu und zum Schluß der Allradantrieb mit Doppeldifferential und Automatik-Zweigang-Getriebe. Die Liste der Kaufteile setzte sich immer weiter fort. Kaufen wurde alternativlos. Für den Bastler gab es keine Motivation mehr.

    Von Oldtimer-PKWs wissen wir, daß diese umso teurer sind, je geringer die Seriengröße eines Modells war und je älter sie sind. So erzielte ein Mercedes 300 SLR Coupé von 1956 im Jahr 2022 den Rekordpreis von 135 Millionen Euro. In Stuttgart sind davon nur zwei Prototypen gebaut worden [7].

    So beschloß ich im November 2022, eine Restauration zu beginnen. Dazu mußten zunächst alle Potis repariert werden, die irgendwelche Kontaktprobleme hatten. Zum Glück war das Problem lösbar. Nach teils mühevoller Öffnung zeigte sich, daß eine Reinigung und ein vorsichtiges Nachjustieren der Kontaktfedern ausreichte, um die Potentiometer wieder zur Funktion zu bringen.

    Danach waren Sender und Empfänger zu reparieren, siehe dazu auch den Link zur selbstgebauten Funkfernsteuerung. Beide funktionierten kaum noch, es gab ständig Störungen (Servoflattern). Es zeigte sich, daß drei verbaute Frolyt-Elkos (100 µF, weißes Plastgehäuse) merkwürdig aussahen. Nachdem sie gewechselt waren, funktionierte der Sender wieder. Auch Empfänger Nr.2 konnte damit zum Leben erweckt werden. Bei Sender Nr.1 gibt es noch Probleme. Der Mischer funktioniert, aber die ZF wird nicht verstärkt, obwohl die Arbeitspunkte aller drei ZF-Transistoren stimmen.

    Leider fehlte die damalige Servoplatte. Sie war neu zu bauen. Wie damals wurden mit der Laubsäge die Konturen der Laschen für die Servos ausgesägt, die Löcher gebohrt und die Laschen herausgebogen.

    Einige Servo- Gestänge und Kleinmaterial fehlten. Deren Neubau war zum Glück unkompliziert. Wichtige Altteile waren wenigstens als Vorlage noch vorhanden.


    Zu erkennen ist der liegende Motor mit Alu-Auspuff, auf der anderen Seite der Tank aus Messingblech. Zum Glück war die alte Antenne noch vorhanden und konnte wieder angeschraubt werden.

    Nur falls sich jemand wundert: Bug- und Heckspoiler wurden bereits 2014 neu angefertigt. Die alten Wettkampfteile waren so zerfranst, daß eine Reparatur nicht mehr sinnvoll war. Auch die Moosgummi-Reifen wurden neu angefertigt, die alten waren steinhart geworden.

    Zukauf- Teile waren zu Baubeginn 1978 (DDR) der 2,5 ccm-Motor von MVVS, der Drosselvergaser vom Moskito, die zwei Servos ohne Elektronik und der Akku. Alles andere war manuell gefertigt.

    Nachdem die Servo-Potis repariert waren, funktionierte wieder alles. Der Akku ist neuzeitlich. Die damaligen Silberzellen (Knopfzellen mit 450 mAh) gibt es wohl nicht mehr. Auch würde ich sie nicht mehr einsetzen wollen, deren Kapazität war zu begrenzt.

    Eine Überraschung gab es beim Entfernen des Luftfilters. Eigentlich nur aus Routine blies ich durch. Es war kaum möglich. Das Rizinusöl hatte den Luftfilter (aus einem Damenstrumpf) so verklebt, daß kaum noch Luft durchkam.

    Nun wurde klar, warum der Motor bei vereinzelten Vorführversuchen in den letzten 40 Jahren so schlecht ansprang und kaum noch Leistung abgab. Meine Frau half mit einem Damenstrumpf aus. Ich nähte daraus einen neuen Luftfilter. Einer Vorführung des Originalzustandes wird nichts mehr in Wege stehen.

    Ein kleines Problem bereitet derzeit noch der Auspuff. Das Alulot wurde über die Jahre dunkel und brüchig. Mit neuem Flußmittel und Lot läßt sich nichts mehr nachlöten. Evtl. muß der Auspuff ebenfalls nachgebaut werden. Im Moment hält er noch zusammen.

    Was noch bleibt, ist die vollständige Demontage des Chassis: Alle Teile reinigen, schleifen und polieren, verrostete Schrauben ersetzen etc. Aber das hat noch Zeit.


    Quellen

    [1] Wilfried Stecker im RC-Car Modellsportverein Blankenfelde, Natursportpark Jühnsdorfer Weg 55, 15827 Blankenfelde-Mahlow, Treff: Mittwochs ab 16.30 Uhr (Link)

    [2] Wikipedia zum Unfall von Niki Lauda am 1. August 1976 auf dem Nürburgring (Link)

    [3] Hildebrand, Siegfried: Feinmechanische Bauelemente. Zweite Auflage, VEB Verlag Technik Berlin, 1971, 867 S.

    [4] Heinz, Gerd: Zeichnungssatz, unvollständig (PDF)

    [5] DMC-Reglement Verbrenner Glattbahn 2020 (Download-Link)

    [6] Ausschnitt aus einem Wettkampf in der Verbrennerklasse VG8 vom April 2014 in Senftenberg, Start des Finales der VG8-KL2 (MP4, 10 MB) (1980 hieß diese Klasse RC-V2)

    [7] Das teuerste Auto der Welt ist ein Mercedes. www.motorline.cc vom 20.5.2022 (Link)


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    weiter zur Funkfernsteuerung




    PS
    Besitzen Sie auch noch einen Oldtimer-Rennwagen von vor 1980? Wenn ja: Ich würde den Link gern mit aufnehmen!
    Kommentare, Hinweise oder Tipps bitte an info@gheinz.de


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