top
Interferenzsysteme
Gerd Heinz
Schwerpunkt der Forschungsambitionen ist die Wellenausbreitung von Zeitfunktionen auf verteilten, räumlichen Netzen, sog. Interferenznetzwerken (IN) (man stelle sich zum Beispiel Nervennetze vor). Mit diesem Ansatz wird die klassische Feldtheorie um die Komponenten diskrete Welle und geschlossene Lösbarkeit von Interferenzintegralen auf inhomogenen, diskreten Räumen sowie auf numerisch bestimmbare Lösungen im Zeitbereich erweitert. Eine Betrachtung zu klassischen Methoden der Feldtheorie zeigt, daß der Übergang in den Frequenzbereich bei Interferenzsystemen parametrisch auf mehrdeutige Lösungen führt, die den Zahlenbereich der komplexen Zahlen sprengen. Entwickelte Lösungen für den Zeitbereich (Projekt NEURO3D, 1994-1995) hingegen gestatteten hochaufgelöste Ergebnisse auch bei geringen Kanalzahlen und aperiodischen Quellen. Eine darauf bauende Applikation führte zu den sogenannten akustischen Kameras.
Interferferenzsysteme stellen einen Zusammenhang zwischen Zeitfunktion und Welle her. Sie eignen sich insbesondere dort, wo eine innere Beschreibung wellenausprägender Zusammenhänge (i.a. Differentialgleichungen) unklar oder unsicher ist, während die vom Gesamtsystem ausgeprägten Zeitfunktionen gut beobachtbar sind.
Abstrahiert man den mit IN in Zusammenhang stehenden Begriff der
Selbstinterferenz
von Wellen mit Gleichzeitigkeit und den Begriff der Fremdinterferenz mit Sequenzverarbeitung, so lassen sich auch allgemeine Entscheidungstheorien Boolscher Art, wie Petrinetze, digitale Automaten, Gewichtsnetze etc. als abstrakte Interferenznetze kategorisieren. Dies ist insofern von Bedeutung, als IN damit ein übergeordnetes Beschreibungssystem bilden, welches von
spiegelverkehrten, optischen, akustischen oder neuronalen Abbildungen bis hin zu Frequenzkarten, Filtern, Codern, Decodern oder komplexen Digitalschaltungen einen identischen, theoretischen Bezug besitzt.
Theorie
Charakterisierung paralleler Wellenausbreitung im Nervensystem am 16.12.1992 mit dem sog. Daumenexperiment (Gerd Heinz/ Torsten Griepentrog). Untersuchung von leitungsgebundener Wellenausbreitung und Interferenzschaltungen im Buch "Neuronale Interferenzen" (NI) 1993; Entdeckung und simulative Verifikation neuartiger, bis dahin unbekannter, informatischer Elementarfunktionen biologischer Neuronen (Nervenzellen), simulative Verifikation zusammen mit Puschmann/Schoel 1994; hypothetische und simulative Charakterisierung neuronaler Verschaltungen als interferenzielle Projektionen, Untersuchung der Eigenschaften von interferenziellen Projektionen und Abbildungen, z.B. simulativer Nachweis des Spiegelungs-/Zeitinversionsphänomen, Charakterisierung des Wellenraums mit freier Ausbreitung als Unterraum eines leitungsgebundenen oder neuronalen Wellenraums anhand entsprechend übergeordneter Reflexions- und Brechungsgesetze (in NI 1993).
Charakterisierung von Klangwahrnehmung als unterbestimmte Kreuzinterferenz-Abbildung (NI 1993) und von Schmerz als Kreuzinterferenz-Überlauf. Simulative Verifikation von Lashleys Ratten-Experimenten - der unmöglichen Lokalität eines Gedächtnisinhalts (In Search of the Engram).
Charakterisierung von EEG-Daten als Steuersignale für Moving und Zooming neuronaler Abbildungen.
Einführung des Begriffes der Interferenznetzwerke (IN) als physikalischer Zugang zum Neuro-Computing (1994...1998). Korrekte raum-zeitliche Simulation von Nervennetzen (Pulsprojektionen) bewirken eine spiegelbildliche Abbildung zwischen Eingabe und Ausgabe (G. Heinz, Sept. 1992). Bis dahin waren nur seitenrichtige Kartierungen bei gewichteten, neuronalen Netzwerken bekannt. Entdeckung einer Dualität/Identität von diskreter Welle und Zeitfunktion (Signal). Verschmelzung zwischen Systemtheorie und Feldtheorie. Seit 1993 Vorträge zu Interferenznetzwerken (raum-zeit-verteilte, neuronale Netzwerke). Verzeichnis von Veröffentlichungen.
Praxis
Erste, akustische Standbilder (G. Heinz/S. Höfs) 1994/1996, international erste akustische Filme 1996. Erste bildliche Darstellung einer Schallspiegelung (Januar 1997). Namensgebung akustischen Photo- und Kinematographie 1997.
Schallaufnahmen über weite Entfernungen (170...300 Meter) 1996. Erschließung industrieller Anwendungen. Entwicklung erster, industrietauglicher, akustischer Kameras². Erste Schallbilder von Maschinen und Anlagen ohne schalltoten Raum. Erste automatische Bildüberlagerung (Video/akustische Karte), Integration einer Videokamera in das Mikrofonarray 1999.
Auszeichnungen des Teams mit dem Otto-von-Guericke-Preis der AiF 2001 und dem Innovationspreis Berlin-Brandenburg 2003, Nominierung für den Deutschen Zukunftspreis 2005.
Erstes Foto einer Schallreflexion: Schallbild eines Flugzeugs mit überlagertem Photo, A-bewertet. Deutlich ist eine Bodenreflexion des Triebwerkslärms zu erkennen. Aufnahme mit einem reflexiven 16-Kanal-Array (90 Zentimeter) aus etwa 30 Metern Entfernung. Nur das linke Triebwerk läuft. Das Flugzeug steht.
Aufnahme: Gerd Heinz, Carsten Busch; Software: Sabine Höfs; Januar 1997, Berlin-SXF.
²
Der inzwischen für akustische Bildgebungssysteme verwendete Begriff 'Akustische Kamera' entstand auf der CeBit 1997 für unseren 'akustischen 16-Kanal-Interferenzmeßplatz'. Eine Eintragung als Markenname wurde vom Patentamt unter Hinweis auf Schutz der Umgangssprache abgelehnt.